Philippinen:
Während Astrid mit der Superferry nach Puerto Princesa und Sabang,
Palawan aufgebrochen ist, bleibt MArtin hier auf Busuanga in Coron
4...

Sonntag,
3.12.00
Astrid hat sich mit
der Kamera
nach Puerto Princesa und Sabang
verschifft und ich, MArtin, habe heute bei miesem Wetter (alles relativ
) keine
Taucher.
Obwohl bislang kaum erwähnt, haben wir auf Coron natürlich auch viele
andere Traveller, Divemaster sowie einheimische und zugereiste „Locals“
kennen gelernt. Da ist zum Beispiel der junge deutsche Tauchlehrer Konstantine.
Er hat sich für 2000P/ Monat (~ 40€) zusammen mit dem englischen
Schriftsteller David in einer geräumigen Holzhütte direkt über dem Meer
eingemietet. Ihr preiswert auf dem Markt gekauftes Essen bereiten sich
die beiden auf einem billigen Kerosinofen zu.
Als Konstantine weiterzieht, lässt er seinen
einzigen Schlips in Coron zurück. An der Hüttenwand hat er seine
Krawatte an den Nagel gehängt.
Ein starkes Bild, das auf mich eine gewisse
Faszination ausübt: Krawattentragen war der Alptraum meiner Banklehrenzeit
und niemals habe ich verstanden, warum man nicht gleich den allerersten
Krawattenträger an derselben aufgeknüpft hat. Glaubt man einer
deutschen Umfrage, so hassen über 80% aller Männer das Tragen
von Krawatten. Ebensoviele sind jedoch der Ansicht, dass sie zu einem
gut angezogenen Mann gehört. Reisen sensibilisiert für derlei
zivilisatorische Ungereimtheiten, die es in unterschiedlicher Ausprägung
überall zu geben scheint.
Egal, Konstantines offenes Lachen wird uns fehlen.
David reist minimalistisch. Er führt in seinem Bündel nur das Allernötigste
mit sich, zählt dazu aber eine dicke abgegriffene Enzyklopädie. Er schreibt
an einem Roman, wie ihn nur das Reiseleben schreiben kann.
Mit ihm und Hans verbringe ich den verregneten Nachmittag quatschend in
einer Hängematte liegend.
Montag, 4.12.00
In Deutschland hat Sabine Geburtstag. Nach dem Tauchen schreibe
ich ihr eine (nachträglich bebilderte)
Geburtstagsmail:
... Alle guten Wünsche zum Geburtstag von Coron nach Berlin ! ...
... schreibe ich Dir einfach mal, wie ich, allerdings mit Zeitverschiebung
von +7 h, Deinen diesjährigen Geburtstag verbracht habe:
Astrid ist am Wochenende mit der Super- Ferry für eine Woche zurück nach
Puerto Princesa gefahren, um unsere Visa verlängern zu lassen, den
Underground-
River in Sabang zu erkunden und den zurückgelassenen Rucksack zu holen.
Nötig wurde diese Reise, weil einer unserer Psions seinen Geist aufgegen
hatte.
Ich stehe währenddessen dem Dive- Shop Scuba Venture zur Verfügung und
bin heute mit 3 "Customern" in Tangat und Olympia Maru getaucht.
Natürlich erst nach dem 8 Uhr-Frühstück mit dem "Breakfast- Club".
Eine etwas hochtrabende Bezeichnung für unsere 3- köpfige (ohne Astrid)
Zweckgemeinschaft:
Lars ist Schwede und Divemaster- Trainee, Thomas frisch gebackener deutscher
Tauchlehrer, beide in einem anderen Tauchladen hier im Dorf. Neben unserer
Tauchleidenschaft vereint uns die Angewohnheit, zum Frühstück statt Fisch
und Reis lieber Brot, Margarine (Butter gibt's hier nicht), Marmelade
und Eier zu essen. Und das
aus
"eigener" Küche, statt sündhaft teuer im Restaurant.
Wir wohnen im gleichen Resort (Krystal).
Es ist auf Holzpfählen in einem ehemaligen Mangrovensumpf direkt über
dem Meer gebaut. Bei Sturm und Flut, steigt das Meer bis an die Holzbohlen,
die unseren Zimmerboden darstellen.
Nachdem mich Thomas immer um 7:30 weckt (Astrid ist mit Camera und Wecker
auf und davon), stelzen wir über knorrige Äste barfuß zum Frühstück
auf eine Art Veranda. Drei kleine schmuddelig- weiße Spitze begrüßen uns
schwanzwedelnd. Sie lieben unser Morgenritual und das stets dabei
für sie abfallende süßliche Weißbrot. (Es ist das Einzige, das es hier
gibt.) Aber auch die Fische unter uns haben längst die täglich wiederkehrende
Gunst der Stunde erkannt und warten auf die ersten Krümel, die beim Schneiden
des Brotes für sie durch die Astritzen fallen. Dann brodelt das Meer unter
uns von den
drängelnden Fischleibern kleiner Fische. Vor uns sehen wir auf dem Meer
ein paar kleinere Ausleger- Fischerboote, dahinter Coron Island.
Heute ist es ziemlich bewölkt, aber die Ausläufer des Taifuns
scheinen sich langsam zu entfernen, denn es ist weniger windig und regnerisch
als gestern, als das „normale“ Leben für die meisten Bewohner (und auch
für mich) wetterbedingt ausfiel. Das Wetter bestimmt
den Tagesablauf hier nämlich viel mehr als der Wochentag. (Bis auf Sonntag,
wo auf jeden Fall Kirche angesagt ist.)
Es ist angenehme 32° warm, wärmer wird's auch im Laufe des Tages kaum
werden. Gestern nacht war es mit 23° ziemlich kühl, zum Schlafen habe
ich mich sogar mit einem dünnen Laken halb bedeckt. (Sorry, wenn
das in mitteleuropäischen Ohren zu dieser Jahreszeit wie Hohn klingt,
soll's gar nicht.)
Nach dem Frühstück wandert organischer Abfall über
die Brüstung ins Meer (brodel), die Reste müssen
ameisen-,
kakerlaken- und maussicher eingepackt werden.
Wir haben inzwischen
spezielle Techniken und Behälter für das Reiseleben mit
Tieren
entwickelt, auch kennen wir die Vorlieben der einzelnen Tierchen zu Genüge,
im Kapitel Weltreise-Tiere steht es noch detaillierter:
Ameisen fressen alles Organische, schleppen es, notfalls mit einer
Tausendschaft, weg.
Kommt erst mal eine, kommen alle. Wo nichts Fressbares
rumliegt, sucht man sie vergebens.
Wer also über Ameisen in seiner Unterkunft klagt, ist selbst
schuld...
Kakerlaken nagen sich mit Vorliebe durch die dünnen Zellophantüten,
in denen Lebensmittel kurz zuvor noch ameisensicher verpackt waren. Ihre
Lieblingsspeise scheinen allerdings die
wasserdichtenden
dünnen Silikonlaschen von Taucherbrillen zu sein. Ist die Maske erst mal
unbrauchbar (das schaffen sie innerhalb von 2 Stunden), verschmähen sie
den Rest.
Kakerlaken sind lichtscheu, sauschnell und unkaputtbar.
Sie
passen in jede Ritze und sind ubiquitär.
Wer keine Kakerlake in seiner Unterkunft
hat, sollte prophylaktisch ausziehen und seinen Pestizid- Spiegel bestimmen
lassen: In vielen Resorts gehört das Versprühen von Gift zur alltäglichen
Routine, weil sich wohl viele Touristen lieber vergiften lassen, als
ihre
Unterkunft mit Kakerlaken zu teilen. (Ob das wohl intelligent und langfristig
schadlos ist? )
Wirklich schweres Gerät sind aber erst die
Nagezähne
der
sehr zu Recht nach ihnen benannten Tiere.
Nagetiere machen auch vor härteren,
dickeren und teureren Verpackungsmaterialien
nicht Halt, sobald sich etwas Nahrhaftes oder Wohlriechendes dahinter
vermuten lässt. Gegen Mäuse und Ratten schützen am besten
dichte Verpackungen Materialstärke ab Tupperware aufwärts.
Mancherorts verbrauchten unsere Zimmermäuse nachtscharrenderweise
z.B. mehr Seife als wir.
Nager wie Meerschweinchen können eine Reihe (seltener) Krankheiten
(die ausgerottete Pest aber nicht mehr) übertragen: Liste
der durch Nagetiere übertragenen Krankheiten.
Wird man der Nager mit Katzen nicht
Herr, sind vergiftete
Köder eine sichere, aber nur kurzzeitige Lösung.
In der Reihe animalischer Plagegeister müssen auch die allseits
so beliebten Affen
und Geckos genannt werden. Letztere vertilgen
(sub-) tropische Insekten in großen Massen.
Geckos stellen, hygienisch gesehen, ein
größeres Problem
dar als Kakerlaken oder Mäuse (und sind dennoch beliebter):
Mit ihren besaugnapften Füßchen
können
sich Geckos überall, auch unter der Decke hängend, bewegen.
Somit
plumpsen die verdauten Moskitos von überall herunter.
Häufig
in Teller, Gläser und - auch das haben wir schon gesehen - in den
Hals von Colaflaschen!
Was
sich da schon alles auf dem fein gewebten Dach unseres Moskitonetzes
angesammelt hat, ist erstaunlich - und wäre sonst (bestenfalls) in unseren
Schlafsäcken gelandet. 
Und wenn Affen - meist in Meute - unterwegs sind, kann
man rein gar nichts draußen liegen- oder hängen lassen:
Von der Badehose bis zum Plastik verpackten Kuchen schleppen Affen erstmal
alles weg, um es dann, unerreichbar auf einem Baum hockend, näher zu
untersuchen oder zu verarbeiten.
Aber ich schweife ab - im Kapitel Weltreise-Tiere steht mehr dazu...
150m stolziere ich nach dem Frühstück über kommunizierende Holzstege (morgens
kein Problem, aber in dunkler Nacht...) auf die Hauptstrasse. Gleich rechts
die Garköchin grüßend gehe ich an der Betonbaustelle, der "Apotheke"
und zwei Straßenständen vorbei zum 200m entfernten Diveshop. Er liegt
direkt gegenüber dem Banaue- Cafe, wo wir gutes Essen und Freunde gefunden
haben.
Nach Hallo und Anpassen ihres Tauchequipments
(Tarierweste,
Octopus, Maske, Booties und Flossen) gehe ich mit Jordan (26jährige Französin)
spießrutenlaufend über 100m Lebe- Steg zum Tauchboot.
Die "Guys" (3 Filipinos) haben bereits die Ausrüstung an Bord
gebracht. Momentan ist die Flut morgens
noch hoch genug, sodass wir nicht erst das kleinste Boot (mit 2,2 PS starken
Außenbordmotor) benutzen müssen, sondern gleich mit dem Tauchboot "Sundance"
vom Pier ablegen können.
Sonst liegt jetzt eine etwa 80 minütige Bootsfahrt zu den mit schwarzen
Rundbojen gekennzeichneten Wracks vor uns. Heute dauert es etwas länger,
weil wir erst noch ein auswärts auf einer einsamen Insel wohnendes Pärchen
abholen müssen. Auf dem Weg dorthin treten wir aus dem Windschatten der
vielen herumliegenden Inseln und müssen gegen eine rauhe
See
ankämpfen. Eine große Welle schlägt ein Loch in den hölzernen Bug des
Auslegerbootes, was aber nicht weiter schlimm ist.
Wir ankern vor einer kleinen Insel mit 3 Häusern drauf. Roman holt Stu
(32 jähriger Engländer, betreibt zwei Kneipen in Tokyo) und seine Frau
Massami (gleich alte Japanerin, fabriziert Lunchpakete für tokyoer Geschäftsleute
und duftet intensiv nach Allure von Chanel) mit dem grünen Kajak an Bord.
Wir machen ein Briefing über das Wrack Tangat
,
wiederholen
die wichtigsten Handzeichen und springen ins Wasser, sobald das Boot an
der Boje vertaut ist.
Wir tauchen 28m tief und bleiben 39 Minuten. Die Sicht ist mit 7m ziemlich
bescheiden.
In die dunklen Ladelöcher des aufrecht auf dem Grund liegenden 130m langen
Frachters mögen die drei Customers nicht abtauchen, obwohl da das Vergnügen
passionierter Wracktaucher erst anfängt. Aber das sind alle 3 (noch) nicht.
Zum Lunch haben die Guys Tuna- Burger vorbereitet.
In der Mittagspause fahren wir die wenigen hundert Meter zum Wrack Olympia . Diesmal
tauchen wir 53 Minuten lang maximal 22m tief. Wie zuvor keine Strömung,
Wassertemperatur 27°.
Bis wir Stu & Massami wieder auf ihrer einsamen Insel abgesetzt haben
und in den heimatlichen Hafen einlaufen, ist die Sonne bereits unter gegangen;
hier herrscht fast ganzjährig ab 18:30 Nacht.
Ein kurzer Umtrunk im Diveshop, wo wir alle einmal auf das Wohl
der überwiegend unbekannten Sabine trinken, dann nehme ich Bernards Einladung
zum Dinner an. Bernard wohnt gerade in einem Traumhaus: Das kleine grüne
Holzhüttchen ist 100m weit ins Meer gebaut und über einen dunklen wackligen
Holzsteg erreichbar.
Mitten auf dem Wasser
hört man nur das Plätschern der Wellen und die Klänge des Windspiels auf
dem Balkon. Die Holzklappläden sind geöffnet und geben den Blick auf die
Silhouette
von Coron Island frei. Darüber ist dunkler, wolkenverhangener Himmel gespannt.
Wir speisen königlich Fisch vom Markt und quatschen.
Es wird später als sonst, erst gegen 1:30 schaue ich auf die Uhr und erschrecke.
Kurz darauf der nächste Schreck: Von meinen heißgeliebten roten Thongs,
die ich vor dem Haus auf dem Holzsteg abgestellt habe, ist einer offensichtlich
von einer Taifun- Böe ins Meer geweht worden. Nach 17 Jahren nehme ich
traurig Abschied von meinen überaus bewährten Reiseschlappen. Zum
Glück hatte ich sie bereits (auf Bananenblatt) für die Equipment- Seite abgelichtet
und mich auf diesen Abschied mental vorbereitet. Dennoch etwas traurig,
mache ich mich links barfuss auf den 300m weiten Rückweg in mein Zimmer.
Für mich ist Dein Geburtstag vorbei, Du fängst wohlmöglich gerade an,
ihn zu feiern...
Dienstag, 05.12.00
In der Mittagspause, wir hängen gerade nach einem Tauchgang auf
der Akitsushima „in den Seilen“,
nähert
sich uns ein flottes Patrouillenboot. Uniformierte Filipinos mit
russischen Maschinenpistolen sind an Bord. Mike erkennt das Wachboot der
hier ansässigen Perlenzuchtfarm schon von Weite und instruiert seine Crew,
sich nicht einschüchtern und die Wachleute nicht an Bord kommen zu lassen.
- Bereits vor 6 Wochen hatte die Mannschaft anlässlich eines Nachttauchganges
eine Konfrontation mit den Perlenhütern. Das sich bei Nacht der Perlenfarm
nähernde Tauchboot war von einem der schwimmenden Wach- Pontons aus gesichtet
worden. Prompt stach ein Wachboot in See und legte sich breitseits an
die Mareen Claire. Noch bevor jemand es verhindern konnte, waren bewaffnete
Guards an Bord gekommen und behaupteten, Nachttauchen sei hier illegal.
Dem
kühlen
Kopf von Mike war es zu verdanken, dass die empörten Wachleute schließlich
klein beigeben mussten. Allerdings nicht ohne vorher die Biervorräte des
Tauchbootes gesichtet und ‘in aller Freundschaft’ gelichtet zu haben.
-
Die Guys geben sich Mühe, die Fragen der Wachen ins Englische zu übersetzen.
Mike beantwortet sie selbstsicher und entschieden. Schließlich rückt die
Patrouille wieder ab, ohne unser Boot inspiziert zu haben.
An den Küsten der Inseln um Coron Bay haben sich aufgrund der Wassergüte
etliche Perlzuchtfarmen
angesiedelt.
Welche (japanische) Techniken Tricks und Verfahren auf einer Perlenfarm
genau zur Anwendung kommen, ist streng gehütetes Geheimnis der Betreiber.
Schließlich geht es um sehr viel Geld. Auch im Internet habe ich kaum
Infos gefunden - kennt jemand einen guten Link ? Aus verschiedenen Quellen
zusammengetragene Informationen besagen, dass den auf speziellen (japanischen)
Märkten gekauften Jungaustern mittels Skalpell ein passender Fremdkörper
inkorporiert wird. Die so behandelte Auster wird mit mehreren Leidensgenossen
in einen geflochtenen Korb gesteckt und an einem Gestell jahrelang ins
Wasser gehängt.
Die
chronische Fremdkörper- Entzündung regt die Auster zur Produktion eines
Stoffes an, aus dem im Laufe der Zeit Perlmut rund um das Implantat entsteht.
Mindestens drei Jahre dauere es bis zu einer ersten kümmerlichen Ernte,
bei der wieder das Skalpell zum Einsatz kommt und die Auster erneut “geimpft”
wird . Dann brütet sie eine neue, größere Perle aus.
Die Perlfarmen hier haben eine Ausdehnung von mehreren tausend Quadratmetern
und sind leicht an den vielen akkurat in Reihen ausgerichteten Bojen erkennbar.
Über Wasser werden sie von schwer bewaffneten Guards mit Feldstechern
überwacht, unter Wasser von angestellten Tauchern gehegt. Die so geschützten
Perlenzuchtanlagen sollen sogar zur Stabilisierung des ökologischen Gleichgewichtes
beitragen.
In BRD hat heute Jutsch Geburtstag. Gerne würde ich ihr gratulieren, weiß
aber nicht, wie ich sie erreichen kann. Solltest Du das lesen, Jutsch,
meld’ Dich doch mal !
Mittwoch,
06.12.00
Nikolaus ist hier bei weitem nicht so kommerzialisiert wie in
BRD. Aber mit
Beginn
der “Christmas Season” wünscht hier jeder jedem “Merry Christmas”.
An mehreren Ecken der Hauptstraße hängen Hunderte von kleinsten bunten
Lämpchen an den Häuserwänden. An einigen Kirchen werden Krippen
aufgebaut
und manche Lichterketten dudeln elektronisch generierte Weihnachtsweisen.
Aber es gibt hier auch eine wachsende moslemische Gemeinde und eine Moschee.
Schätzungsweise 300 der etwa 30.000 Einwohner Corons (so viele? wo stecken
die denn alle?) seien Moslems, ein Teil ursprünglich aus Mindanao.
Aus der Moschee klingt fünf mal täglich der Ruf des Muezzin
zum
Gebet. Heute erstmalig verstärkt über eine Lautsprecheranlage.
Das sagt zumindest der Schweizer Georg und der muss es wissen, denn er
wohnt und arbeitet direkt neben dran in seinem Tauchshop ABCDivers.
Wie durch ein Wunder hatten wir uns bislang noch nicht kennen gelernt.
Aber heute ist es soweit, wir kommen ins Gespräch und bedauern schnell,
dass wir uns nicht schon früher begegnet sind. In der umfangreichen Bibliothek
der ABCDiver kann ich endlich etliche Tauchgänge aufarbeiten und die dort
gesehenen Fische und Pflanzen bestimmen. Georg verfügt über erstaunliche
Detailkenntnisse in Tauchtechnik, Unterwassernatur und taucht hier seit
Jahren.
Als seine Mitarbeiter Kathy und Kevin vom Tauchen zurückkommen, wird’s
richtig gemütlich. Am Abend gehen wir gemeinsam ins Banaue Café essen.
Donnerstag,
07.12.00
Ian hat sich bei dem Versuch, eine Kokosnuss mit der Machete
zu
spalten,
fast den gesamten linken Daumen abgehackt. Der Knochen ist direkt über
dem Grundgelenk sauber durchtrennt.
Als er vor 3 Wochen das Boot zum Krankenhaus nach Culion bestieg, hing
sein linker Daumen als lebloses,
tiefblaues Fleischstück an einem blutigen Faden am Rest seiner Hand.
In stundenlanger Näharbeit haben die Ärzte versucht, der linken Hand ihren
Daumen zu erhalten.
Heute Nachmittag ist nach dem Tauchen zum wiederholten Mal ein Verbandswechsel
fällig.
Freitag,
08.12.00
Im 4P/min teuren und einzigen Internetcafe Corons bin ich inzwischen
Stammkunde,
mein Computer regelmäßiger Teil des dortigen Netzwerkes, das über Satellit
direkt mit einem Server in Manila verbunden ist.
Heute erreicht mich eine Mail aus BRD, die ich Dir nicht vorenthalten
möchte.
Sie ist ein schönes Beispiel für Anfragen, die wir zukünftig gerne an
unser Forum
gerichtet hätten und auch dort beantworten wollen.
Zumal im Forum auch Informationen von anderer Seite einfließen
können:
Lieber
Martin, liebe Astrid,
Eure schönen Berichte und Bilder haben uns so
gefallen, dass wir kurzentschlossen von Anfang Februar bis März auf
Euren Spuren wandeln und nach Malaysia zur Ostküste aufbrechen werden.
...
Wichtig ist uns aber, dass wir von Euch noch ein paar gute Tipps mit
auf den Weg bekommen, insbesondere was die Aufenthaltsorte angeht. Hier
nun unsere Vorstellungen:
Gesucht wird ein kleines Paradies mit weißem Strand und Palmen, netten
und unkomplizierten Menschen hier und da vielleicht eine kleine schnuckelige
Strandbar in der Nähe zum absacken, einem kleinen Ressort oder Herberge,
AC nicht erforderlich aber dafür gepflegt und aufmerksam geführt. Viel
Komfort ist nicht erforderlich,
lediglich Betten und Wasch- und Duschbedingungen müssen
auch den Anforderungen meiner Partnerin genügen. Wichtig ist, dass die
Unterkunft schön und liebevoll sein soll. Keine Plastikstühle sondern
eben welche aus Rattan. Aus dem Bett auf die Terrasse mit Blick in das
grünblaue Meer !!
Und es soll und muss nicht nur ein Ort sei. Wir haben fast vier Wochen
Zeit und würden auch gerne verschiedene Plätze besuchen. Also: wir vertrauen
ganz auf Eure einfühlsamen Tipps und sind sicher, dass Ihr das Richtige
für uns heraussuchen werdet.
Hier daheim gibt es - wie soll es auch anders sein - nicht viel Neues.
Der Himmel ist grau in grau und es wird kaum noch hell..."
Natürlich
haben wir da einige Ideen gehabt und geantwortet. Vielleicht schreiben
die beiden Urlauber ja mal ins Forum, wie es ihnen gefallen hat
und was sie weiterempfehlen können ?
Samstag,
09.12.00
Astrid hat offensichtlich Probleme mit der Einhaltung ihres behördliche
Zeitplanes. Nichts Genaues weiß ich nicht, da GMX zur Zeit heftige „Performance
Probleme“ hat. Und wir wollen natürlich auch genau in den reparaturintensiven
deutschen Nachtstunden miteinander kommunizieren. Wenn GMX mal funktioniert,
funkt unter Garantie ein „Brown- Out“ zwischen die Kommunikation. Oder das
Internetcafe hat wegen Regens (?) während seiner Öffnungszeiten geschlossen,
oder ... Es ist zum Mäusemelken.
Um den nächsten Tagen vorzugreifen: Die Koordinierung unserer Zeit- und
Reisepläne wird chaotisch. Allein das Datieren eines gemeinsamen Chat- Termins
dauert zwei Tage und braucht zwei Anläufe, um dann endlich, GMX- lob zu
klappen. Später wird in einem GMX- Mitgliederbrief zu lesen sein:
I.
Liebes(GMX)- Mitglied! ================================================
Geben Sie es zu: Sie wollten in diesem Jahr schon das eine oder
andere Mal Ihre Mailbox in die Luft jagen, da Sie partout nicht an
Ihre Mails gekommen sind...
Ich
gebe es zu, der Karsten hat Recht. Aber wir geben die Hoffnung auf eine
kommunikationssichere Zukunft mit GMX
noch nicht auf. Kommt ja auch selten soo ungelegen.
Der freundschaftliche Kontakt zu den deutschsprachigen ABCDivern
entwickelt sich und dehnt sich auf Vera und Heinz, Betreiber der großen
Tauchyacht „Maribeth“ aus. Immer häufiger
sitzen wir bei Ihnen im Diveshop, tauschen Wracktaucherlebnisse aus oder
schlagen Unterwasserbegegnungen in ihrer Tauchbibliothek nach. Die Qualität
und Wartung ihrer Tauchequipments imponiert uns zusehends.
Sonntag, 10.12.00
Im Fernsehen der örtlichen Kneipe auf der Hauptstrasse läuft jetzt
nachmittags oft live und in englisch (!)
die
Zeugenbefragung im Prozess gegen Präsident Estrada. Eine noch nie
da gewesene Prozedur, der man es auch anmerkt. Manche Zeugenaussagen werden
von einheimischen Restaurantbesuchern kommentiert. Wer sich dabei allerdings
eine politische Stammtischkultur in deutschem Sinne vorstellt, liegt völlig
daneben. Vergleichbares ist hier mentalitätsbedingt nicht denkbar.
Gelegentlich kann man jedoch eine gewisse Genugtuung in manchen Gesichtern
vermuten. Besonders wenn Szenen gezeigt werden, in denen aufgebrachte
Filipinos eine
von Estradas Prachtvillen zu stürmen trachten. Sie wollen jetzt endlich
wissen,
woher sein Geld stammt.
Aber auf wie viele Füße muss man wohl für eine weitgehende Aufdeckung
treten?
Im Gegenzug rührt Estrada eine groß angelegte Werbetrommel für sich:
Im TV laufen Spots, in denen er u.a. mit erfolgreicher Bekämpfung von
Korruption und Errichtung schmucker Betonwohnsilos für sich und seine
Regierung wirbt. Das 13. Gehalt der Regierungsbediensteten ist überpünktlich
ausbezahlt worden und mancherorts sieht man mit Remain! überklebte
Resign!- Aufkleber
Montag,
11.12.00
Wer hätte gedacht, dass harte Stühle einem in Asien zum
Problem werden könnten ?
So mancher Traveller kann ein Lied davon singen!
Auf den gemeinhin sehr harten asiatischen Holzstühlen sitzend, scheinen
europäische Hintern langfristig stereotyp zu
reagieren:
Entweder entwickeln sie Geschwüre oder sie bilden Hornhaut.
Trotz weit überdurchschnittlich langer Sitzzeit bin ich bislang von Geschwüren
verschont geblieben...
Erleichternd wirkt da übrigens die speziell in Asien sehr verbreitete
Hockstellung. Beide Fußsohlen stehen dabei voll auf dem Boden,
der Hintern schwebt frei. Stundenlang können sie hier so sitzen und es
sieht auch noch bequem aus. Aber wenn ich es versuche, finde ich kein
entspannendes Gleichgewicht und schaffe es keine 3 Minuten.
Ob die Hornhaut eine späte Realisierung des von meiner Mutter so oft für
meine Schulzeit erflehten Sitzfleisches ist ? ...
Lohn der untersten Hornhautschicht: Das Kapitel Puerto
Princesa 1
ist fertig geworden, heute kann ich es hoch laden.
Das Photo soll auch eine humorvolle Hommage an Steffis heutigen Geburtstag
sein, das Geben von Anstoß ist ausdrücklich ausgeschlossen ;)
Dienstag,
12.12.00
Dinner findet heute in großer Runde bei L&M Pee Lodge statt.
Es wird wieder „Abschied von Coron“
gefeiert.
Hinter dem Markt, ganz in der Nähe von L&M, liegt der Schlachthof
von Coron. Sonst wird dort meist nachts ab 3 Uhr geschlachtet, wenn die
meisten Leute schlafen. Heute jedoch dringen die Schreckenschreie der
Schlachtopfer besonders früh und besonders eindringlich an unsere Ohren.
Bolzenschussgeräte wie in BRD gibt es hier nicht. Hier werden
Schweine und Rinder zu Tode geknüppelt, bevor sie durch
ein angespitztes hohles Bambusrohr entblutet werden. Der heutige Schlachter
scheint keine besonders glückliche Hand zu haben und mancher Nicht- Vegetarier
blickt etwas betroffen auf das vor ihm auf dem Teller liegende Porc
Adobo (trotzdem: Rezept)
Um Neumond herum steigt heute die Flut besonders hoch und ich muss 6m
durchs Meer waten, bevor ich den heimführenden Steg betreten kann. Das
Wasser steht heute 15 cm unter meinem Zimmerboden.
Beim Einschlafen springt ein Fisch von unten dagegen.
Mittwoch, 13.12.00
Gegenüber von Krystal ist in den letzten Tagen aus den Trümmern
und Resten der
Nachbarschaftsbehelfswerft
vom 13.11.ein Gerüst entstanden, auf dem jetzt mit nachbarschaftlicher
Hilfe ein Fischerboot gebaut wird.
Vergänglichkeit und Wiederbeginn ist im Alltag der von uns besuchten asiatischen
Ländern insgesamt viel offensichtlicher als im europäischen Lebensraum.
Während Europäer
häufig möglichst solide und haltbare Lösungen zu suchen, führt hier oft
spielerische Improvistaion zu vorrübergehendem Erfolg. In Asien scheint
von vorne herein nichts für die Ewigkeit gemacht, der Fluss der Zeit und
sich ergebene Veränderungen selbstverständlicher akzeptiert zu werden.
Auch die Kindheit der hier halbnackt spielenden Kinder ist völlig
verschieden von einer im heutigen Deutschland und führt zu einer früheren
körperlichen Selbstverantwortlichkeit und bemerkbar größeren motorischen
Geschicklichkeit:
Mit zwei Jahren versuchen sie, zwischen den Ritzen der
Stege hindurch zu pinkeln. Mit 3 Jahren wetzen die Kids hier unbeaufsichtigt
über die tückischen Knüppelstege und spielen mit
scharfkantigem Müll. Ab etwa 4 können sie sägen und schwimmen. Und nirgends
sieht man die ängstliche Überwachung durch besorgte
Mutteraugen. Hat sich tatsächlich ein Kind mal weh getan (was selten vorkommt),
scheint es sich fast wegen seines
Missgeschickes zu schämen und den Schmerz herunter zu spielen.
Spätestens mit 7 Jahren können die meisten (dieser ist eine lobenswerte
Ausnahme) mit deprimierender Treffsicherheit und völlig unhinterfragt
Vögel vom Baum schleudern. Aber davon gibt es hier kaum noch welche. Sogar
die sonst überall gesehenen von uns so genannten „asiatischen Spatzen“
(lärmend, dreist, neugierig und immer hungrig) haben wir hier noch nicht
gesehen, das entsprechende Bild stammt aus Singapur.
Donnerstag
14.12.00
Am Abend klappt endlich der Kontakt
zu Astrid. Erstmals in unserem Leben „chatten“ wir (über www.chat-punkt.de
)
und finden es sehr praktisch. (Vielleicht sollten wir mal einen Chat-
Termin für Freunde und Bekannte arrangieren ?)
Wenn Astrid noch ein Flugticket besorgen kann, wird sie morgen um 12:30
h mit der Seair- Maschine aus Puerto Princesa ankommen.
10.000 km weiter westlich und einige Breitengrade weiter nördlich
wird heute die VILLA VINUM eingeweiht – Alles Gute, Abi !
Freitag,
15.12.00
Die Nacht habe ich mal wieder vorm Computer verbracht. Etwas verschlafen
schlendere ich gegen 11 in gleißender Sonne vor das Gebäude von Corons
einzigem Reisebüro Swagman (mit Pass Verlängerungs- Service), um
das Jeepney zum Flughafen zu nehmen.
Auf dem Weg dorthin liegt 3 km außerhalb das deutsch
geführte Kokosnuss Garden Resort (e-mail: kokosnuss@mozcom.com), aus dem wir einige
sehr zufriedene Gäste kennen gelernt hatten. Auch die zusteigende junge
Dame schwärmt über Essen, Stil und Atmospäre dort. Sie hat im Kokosnuss
zwei Wochen Sonnenurlaub verbracht.
Das Jeepney zum Flug der „ASIAN SPIRIT“ ist übrigens 50 Pesos billiger
als das von „SEAIR“. Ich steige auf das Dach des Jeepneys und werde, Stock
über Stein, auf der 30 minütigen Fahrt ganz schön durchgerüttelt.
Manchmal muss ich wegen tiefhängender Stromleitungen den Kopf einziehen.
Wie war das noch mal mit der „körperlichen Selbstverantwortlichkeit“ in
Asien?
Zwanzig Minuten nach Ankunft an der Wiese, die das Rollfeld darstellt,
schwebt der SEAIR- Flieger ein.
Ob Astrid nach ihrem Ausflug nach Sabang
wohl an Bord ist ?
Schon mal gesucht?

Probier's mal!
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Schon mal probiert?

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