Donnerstag
04.01.01/263. Weltreise-Tag:
Zwei Pinkelpausen später und 800 km weiter nördlich von Sydney dämmert
das erste Morgengrau
durch die milchigen Schwaden des Bodennebels.
Stellenweise ragen nur die Wipfel einiger Eukalyptusgiganten aus den
Nebelfeldern.
Es dauert noch eine Stunde, bis sich der Horizont zart rosa verfärbt.
Schließlich bahnen sich die ersten Sonnenstrahlen ihren Weg über die sanft geschwungenen
Hügelketten.
MArtin fällt es schwer, sich von den packenden
Abenteuern im 13. Jahrhundert
(Timeline von
Michael Crichton) loszureißen und sich in die Gegenwart des erwachenden Tages
zurück zu beamen.
Aber auch Astrid guckt nach der unbequem im Bus verbrachten Nacht noch ziemlich
verknautscht aus der Wäsche...
An der Haltestelle vor dem
Travel- Center in Byron Bay türmen sich die Rucksäcke, Taschen und Koffer
von drei zeitgleich angekommenen Bussen.
Das durchschnittliche Alter der verschlafen wirkenden
Passagiere liegt deutlich
unter 30 Jahren.
Byron Bay ist das Surf- Dorado der jungen Generation.
Unter Verleugnung des Ozonloches wird
möglichst viel nackte Haut, egal ob rotverbrannt, rosagepellt oder sonnengebräunt
zum Beach getragen.
Im Hauptferienmonat Januar
platzt Byron Bay aus allen
Nähten.
Während Astrid unser Gepäck hütet, sucht MArtin wie andere auch erfolglos nach
einer Bleibe.
Schade, dass es bei Art’s Factory keine freien Zimmer mehr gibt. Es
wäre „Backpacker’s
first choice“ gewesen.
Aus “Tauchen in Byron Bay” wird also nichts.
Als Traveller ist es gut, immer noch einen “Plan B” in petto zu haben (und
bis Z offen zu sein).
Knapp 2 Stunden später (wir haben nicht
mal die Kamera ausgepackt) sitzen wir daher im Nimbin Shuttle.
Dieser Kleinbus pendelt montags bis
samstags für 12 A$ zwischen Byron Bay (Abfahrt 10:00) und Nimbin (Ankunft 11:30;
Abfahrt 14:30). Sonntags sind die Abfahrtzeiten variabler (zwischen 10 und
11 Uhr).
Die vorbeikurvende Landschaft wirkt wie ein überdimensionierter natürlicher
Golfplatz.
Schier
endlos breitet sich die von Eukalyptusbäumen und Resten tropischen
Regenwaldes durchbrochene Hügellandschaft
vor unseren Augen aus.
Dazwischen verstreut sehen wir kleinere Anwesen, großflächige Farmen und einzelne
Häuseransammlungen.
Nimbin liegt im Nordosten von
New
South Wales, in der sogenannten „Rainbow- Region ".
Die Rainbow Region erstreckt sich zwischen dem an der Küste entlangführenden "Pacific
Highway" und dem durch das Hinterland führenden "New England Highway".
(Wer mag Partner werden und eine bessere Landkarte beitragen?)
Doch noch bevor wir Nimbin erreichen, haben wir im Bus bereits Kontakt mit
dem verwegen aussehenden Huckle geschlossen.
In einem intensiven Gespräch erzählt er uns
seine bewegte Lebensgeschichte und bereits nach wenigen Minuten wird sonnenklar:
Das ist der Umgang, vor dem uns unsere Eltern immer so
eindringlich und bislang
erfolgreich gewarnt hatten:
Von Kopf bis Fuß tätowiert (Souvenir langjähriger Gefängnisaufenthalte),
vernarbte Venen (aber keine frischen Einstiche), 5 Kinder mit 3 Frauen (aber
allein mit ein paar Kumpels hausend), tausend Berufe (aber von Stütze lebend),
um nur einige der vorurteilsfördernden Merkmale zu nennen.
Dennoch, seine Offenheit und die Qualität des Kontaktes machen uns den Menschen
Huckle sofort sympathisch und vertrauensselig
folgen
wir seiner Einladung in seine “Drogistenscheune”.
Dort verbringen wir etliche Tage, lernen weitere „Spießgesellen“ kennen, werden „weitergereicht“ und
lernen, uns in Kreisen zurechtzufinden, um die wir früher einen riesigen Bogen
gemacht hätten.
Es versteht sich wohl von selbst, dass wir sämtliche Namen geändert und
sorgfältig darauf geachtet haben, dass zwischen den gezeigten Bildern und
dem möglicherweise kompromittierenden Text kein Zusammenhang besteht !
„Hairyaduin gais"? begrüßen uns die beiden männlichen
Mitbewohner, als wir die baufällige, nicht ganz regendichte
Scheune betreten und unsere Rucksäcke abstellen. Zurück kommt ein noch nicht
ganz akzentfreies „fainthanxmaites“.
Wir brechen uns fast die Zungen bei unseren Versuchen,
Worte
und Redewendungen in Aussie- Tonfall und -Slang flüssig, freundlich und cool
zu sprechen.
Wenn es wirklich mal gelingt, ist es meist Auftakt zu einem sturzflutartig
niederprasselnden Redestrom, an dessen Ende wir oft erwidern: "Sorry,
don't understand, could you repeat it slowly, please ?"- Dabei hatten
wir doch in Asien
noch den Eindruck, zwischenzeitlich fast perfekt englisch zu sprechen und so
gut wie alles zu verstehen !
Wir sind mitten in eine Rauchzeremonie geplatzt.
Ein kunstvoll gerollter Joint macht gerade die Runde. Kein Wunder, dass hier
ungebetene Gäste
bereits
an der Eingangstür abgeschreckt werden sollen.
„Just in time“ grinst Huckle, inhaliert tief und will die Tüte an uns weiterreichen.
Aber es wird noch einiger Aufklärung bedürfen, bis wir uns sicher genug fühlen,
die Effekte von australischem THC mal am eigenen Leib zu testen.
Wir verlagern uns also zunächst aufs Beobachten.
Die Jungs machen einen sehr entspannten Eindruck, dösen, träumen quatschen
lachen und hören genau die Musik, die wir auch mögen.
Derzeit „Pretending“ aus Claptons
Live- Doppel- Album „24
Nights“.
Berry langt nach seiner Ibanez- Gitarre. Sie ist bei weitem der kostbarste
Einrichtungsgegenstand der Scheune. Dann duelliert er sich mit Eric Slowhand.
MArtin kriegt eine Gänsehaut, lehnt sich
zurück
und versinkt in einen wohligen Dämmerzustand.
Irgendwann später erklärt uns Finn die trickreiche Bedienung des ehemals ausrangierten
Gasherdes und zeigt uns die Funktionsweise des Freiluftkompostklos. Mit Blick
auf den Stapel alter Zeitungen daneben beschließen wir, möglichst bald Toilettenpapier
zu kaufen. Das könnten wir morgen früh in
Nimbin erledigen, wenn sich Huckle dort seine tägliche Methadondosis abholt.
In der hinteren Ecke der Scheune steht ein Stapel Matratzen gegen die
Wand gelehnt. Weil sich dort manchmal die drei Meter lange, aber
harmlose Carpet- Snake verkriecht, hilft uns Huckle, die beste Matratze
rauszusuchen.
Aber die Python lässt sich nicht blicken, ist wohl gerade auf Rattenjagd.
Kurz vor Einbruch der Dämmerung breiten wir unseren Schlafsack auf unserer
neuen Schlafstatt aus und hängen unser Moskitonetz auf.
Nachdem wir in der teuren Silvesterwoche in Sydney horrende 1400 A$ ausgeben
mussten, sehen wir unserer ersten wirklich billigen australischen Nacht
entgegen.
Bevor wir uns aber schlafen legen, treten wir noch
mal ins Freie und bewundern den
australischen Sternenhimmel.
Wo wir herkommen, sieht man die Milchstraße bei weitem nicht so deutlich. Berry
zeigt uns das Southern
Cross, zu dem Aussies ein ganz besonders inniges Verhältnis haben.
Nicht umsonst ziert diese konstant nach Süden weisende Sternenkonstellation
die Flagge Australiens.
Das Southern Cross " Kreuz des Südens" ist nur südlich des Äquators
zu sehen. (Natürlich ist das Southern Cross nicht halbrund, aber der Mond ist
leichter abzulichten und ist so in BRD ebenfalls nicht zu sehen.)
Mehr zum Kreuz
des Südens.
Bilder von den einzelnen Mondphasen, wie sie von der
südlichen Hemisphere aussehen, gibts hier.
Weitere Links zur Astronomie
der südlichen Hemispäre sind uns im Weltreiseforum willkommen!
Was in den nächsten Tagen in der Drogistenscheune noch so geschieht,
steht im nächsten Kapitel Australien - Rainbow Region 2 |