Kreuzfahrt von Bridgetown nach Port Of Spain auf Stahlfrachter
INKOGNITO
Weil die INKOGNITO morgens vor 6 Uhr nach Trinidad
auslaufen soll, will
uns Kapitän Rudolph schon am Vorabend an Bord
seines Stahlfrachters wissen, damit wir die Nacht vor der Abreise
bereits auf dem Schiff verbringen.
Also bringt uns Jules am späten Nachmittag im
Jeep zum Security Check-Point des Hafens
von Barbados.
Mit offizieller Miene blickt er dem
uniformierten farbigen Sicherheitsbeamten der Barbados
Port Authority in die Augen und sagt mit fester Stimme, so als bringe er
täglich
Leute
an die Werft:
"
I
just want to bring these guys to their ship".
Das letzte Mal hatte diese Taktik tatsächlich bewirkt, dass wir
unkontrolliert durchgewunken wurden.
Zwischenzeitlich aber hat Präsident
Bu$h's zweite
Amtszeit begonnen, was die Welt - nach seinem
Maßstab - offenbar "noch
sicherer"
gemacht hat: "Security"
und Terrorismus sind nun auch in der Karibik in aller Munde
- und das Hafenpersonal auf Barbados wurde angewiesen,
Alles
und Jeden gewissenhaft zu checken.
Wir zücken also unsere Pässe, ihre Namen werden
mit der vorliegenden Crewliste der INKOGNITO. verglichen.
Dann klappen wir den Kofferraum
auf und öffnen
unsere Taschen zur oberflächlichen Inspektion.
Alles scheint OK, doch:
"Fahrer und Auto dürfen aber nicht
auf das
Hafengelände!"
Wir schlucken zwar angesichts der Aussicht,
unsere Rucksäcke
samt
Segelausrüstung in schweißtreibender Hitze einen Kilometer
zur Anlegestelle schleppen zu müssen, ergeben uns jedoch widerspruchslos
unserem
Schicksal:
Es gibt nicht viele
Orte auf der Welt, wo Diskussionen gegen etablierte Regeln, Authoritäten
oder geschürte Ängste lohnen.
Barbados, das wissen wir inzwischen aus Erfahrung, gehört definitiv nicht dazu!
Auf Barbados verhält man sich oft "very british" - auch und gerade beim Befolgen von Vorschriften.
Auf seinen karibischen Schwesterinseln wird der östlichste karibische Inselstaat deshalb oft "Little
England" genannt.
Gerade wollen wir also unsere
Rucksäcke schultern, da fügt der Sicherheitspförtner mit Blick
auf unsere Segelausrüstung hinzu:
"Aber bei soviel Gepäck mache ich für Euch eine Ausnahme..."
Als wir am Pier vorfahren, werden gerade die letzten Metallrohre
aus Trinidad von der INKOGNITO entladen.
Danach hilft uns Kapitän Rudolph
mit seinem Roller, unser Gepäck zum Zoll (customs)
zu bringen.
Die INKOGNITO ähnelt
in Technik und Größe dem letzten Frachter, auf dem wir
getrampt sind - und
der leider sank, einen Tag
nachdem
wir ihn
verlassen hatten...
Auch die INKOGNITO kommt ursprünglich aus Europa, kann etwa 700
Tonnen zuladen und ist über 30 Jahre alt.
Sie ist teilrenoviert und besser gewartet als es unser letzter
Trampfrachter, die gesunkene
Lady war, aber auch am zig-fach überpinselten
Stahlbauch der INKOGNITO höhlen
und nagen steter Salztropfen und Zahn der Zeit in
trauter Erbarmungslosigkeit.
Passagierkabinen gibt es erwartungsgemäß auch hier nicht
- und die kleinen Mannschaftskajüten mit den schmalen Ein-Mann-Kojen
sind von der 7-köpfigen
Crew belegt, die erstmals auch um eine Köchin aus Trinidad
verstärkt wurde.
Entsprechend groß ist die Palette potentieller
Schlafstätten,
die wir auf unserer ersten Entdeckungstour über's Schiff
entdecken.
Wir steigen auf das höchste Deck - und wählen
ein extrem unkomfortables, aber beglückend surealistisches
Schlaf-Ambiente:
Die warme karibische Nacht im Hafen
von Barbados verbringen wir fast schlaflos in eine enge Hängematte gezwängt.
Die baumelt malerisch zwischen Mast und Geländer des Oberdecks
- im Schatten der hell erleuchteten QUEEN
MARY2, die direkt nebenan
liegt!
Nie haben wir unbequemer geschlafen als in dieser Nacht: Nicht
auf den kalten Steinfliesen des kaltklimatisierten puertoricanischen
Flughafens , nicht auf Grenada in der engen Koje der SIMPLICITY und
auch nicht in diversen Gepäckräumen
auf unseren Rucksäcken.
Trotzdem jubeln wir innerlich und geben uns leidenschaftlich diesem
unwirklich
anmutenden Szenario hin: Spüren dem dezent vibrierendem Generatorbrummen
nach, lauschen dem verhaltenem Wellenschlag, inhalieren tief die
salzgeschwängerte
Luft, die uns von Europa her über den Atlantik weht...
Wir
beobachten, wie immer mehr Bullaugen der Queen Mary2 in Dunkelheit
versinken, hören fremde von Ferne
zu uns getragene
Geräuschfetzen und versuchen vergeblich, ihre Herkunft zu
ergründen.
Rudolphs Hängematte
schwingt sanft
im wiegenden Takt des Schiffes - oder ist es Astrid, die sich am Fuß kratzt?
Wir sinnieren darüber, wie wenige Mitteleuropäer sich
wohl schon mal die Chance auf ein ähnliches Erlebnis gegönnt
haben - und diese Vorstellung überhaupt
reizvoll fänden!?
Wer dazu gehört, findet Anregungen dafür
im Kreuzfahrt-Almanach
für Globetrotter.
Wir jedenfalls genießen die ungemütliche Nacht in vollen
Zügen
- bis uns Kapitän Rudolph wie abgemacht in aller Herrgottsfrühe aus
oberflächlichem Schlaf weckt:
Gleich wird er den Motor starten und will nicht, dass wir samt
Hängematte
in einer explosionsartig aus dem Schornstein geschleuderten schwarzen Rußwolke
verschwinden.
Und direkt neben einem laufenden
Radar soll es ja auch nicht so gesund sein...
Das eingespielte Team der größtenteils aus Guyana stammenden
Schiffscrew ist längst auf den Beinen und funktioniert auch
ohne Kommandos wie am Schnürchen:
Jeder kennt seine Aufgabe, führt sie routiniert und gewissenhaft
aus.
In fahler Morgendämmerung
heißt es schließlich "Leinen los!"
Im nächsten Kapitel
verlässt die unbeladene
INKOGNITO Barbados -
und nimmt Kurs auf
Port Of Spain, Trinidad 
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