Wunder
gibt es immer wieder ?
Paula wollte gerade in sein (zwischenzeitlich sehr zu Recht verschrottetes)
Auto
steigen, als ihn ein Fremder ansprach.
Ob er derjenige sei, der mit einem Popao nach Samoa zu Benny
Hinn,
dem berühmten christlichen Glaubensheiler aufbrechen wolle?
Als ihm Paula dies erstaunt bestätigte, berichtete ihm der
Fremde, in der letzten Nacht eine Erscheinung gehabt zu haben:
Jesus selbst habe ihn in einem intensiven Traum beauftragt,
Paula mit nach Samoa zu nehmen, wenn er mit seinen Glaubensbrüdern
von der
Seventh
Day Adventist Church das Flugzeug dorthin besteige.
Bereits früh morgens
habe er deshalb auf die Öffnung des Reisebüros gewartet, um Paula das Flugticket
nach Samoa zu besorgen und so Gottes Auftrag zu erfüllen.
Sagt’s, zieht ein Returnticket nach Samoa aus der Tasche und übergibt es
dem verdutzten Paula.
Wahrscheinlich denken sich jetzt Einige, wir zwei von worldtrip.de drehen nun
völlig
durch oder erzählen Märchen.
Aber ihr wart wahrscheinlich noch nicht auf Tonga, wo sonntags die Kirchenglocken
unzähliger Gotteshäuser früh um 5 Uhr anfangen, 2- stündlich zu läuten und der
Großteil der überaus gottesfürchtigen Bevölkerung zumindest sonntags mehrfach
in die Kirche geht.
Die Auswahl daran ist größer, als wir es anderswo je erlebt haben:
Von
der Wesleyan-, Methodist- Tongan- Seventh Day Adventist- Lutherian-
Mormons- Church über die rechtgläubige Roman- Catholic Church mit ihrer
zipfelrunden Basilika bis hin
zum
Bahai- Glauben sind hier die unterschiedlichsten Glaubensrichtungen auf
engstem Raum vertreten - und äußerst aktiv.
Sonntags läuft auf Tonga gar nichts - es sei denn, zur Kirche.
Einzig die Bäckereien
sind einige Stunden lang geöffnet, um den riesigen Weißbrotbedarf der Tonganer
zu decken.
Der
Rest
der Tonganer ruht oder betet.
Aus Kirchen und Tempeln schallen den ganzen
Tag lautstark Psalmen und vielkehlige Hallelujahs...
Und wenn wir gerade bei den unglaublichen Geschichten sind, hier eine
weitere
wahre.
Auch sie klingt in unseren Ohren nur deshalb merkwürdig, weil wir
so was bei uns nicht kennen:
In dem Jahr, das Paula im Krankenhaus von Tongatapu verbracht hat, bekam
er täglich Besuch von einer Gruppe sehr rühriger Kirchenmitglieder,
die
an seinem Bett innbrünstig für seine Genesung beteten, Psalmen sangen und
ihn in seinem Glauben an Gott zu bekräftigen trachteten, obwohl sie Paula
anfangs nicht einmal kannten!
Vielleicht sollten wir noch erwähnen, dass der erste
von beiden tonganischen TV- Sendern kirchlich ist und täglich
bis
Punkt 24 Uhr Fernseh- Predigten, Andachten, Psalmrezitationen und ähnliches
zeigt.
Sonntag abends wird der morgens aufgezeichnete Gottesdienst aus der
Wesleyan- Church gesendet, den auch seine knapp 83-jährige Majestät König
Taufa’ahau Tupou IV gewöhnlich besucht.
Wenn es also auf Erden einen Platz für Wunder gibt, dann liegt der sicherlich
nicht weit von Tonga!
Aber zurück zu Paulas aktueller Geschichte:
Das Ticket nach Samoa bereits in der Tasche, war Paula die nächsten drei
Tage damit beschäftigt,
die 20 Pa’anga
für
die Flughafensteuer aufzutreiben.
Der Plan, seine höllischen Hüftschmerzen und
die teuflische Beinlähmung mit göttlicher Hilfe und im Namen Jesu auszutreiben,
hatte durch das
geschenkte
Ticket nach Samoa eine unerwartete, höchst willkommene Wendung erfahren.
Donnerstag, 3.5.01
Heute morgen verabschieden wir Paula nach Samoa.
Zusammen mit schätzungsweise 200.000 (!) weiteren Polynesiern wird er dort Benny Hinns Miracle- Crusade beiwohnen
und auf eine Wunderheilung hoffen.
An Paulas Projekt, mit dem kleinen Popao nach Samoa zu segeln, hat sich
jedoch nichts geändert:
Sobald Paula von Samoa zurückgekehrt ist, sollen die Vorbereitungen
dafür weiter gehen.
Mittwoch,
9.5.01:
Am Abend ruft Paula aus Samoa an.
Er klingt wütend und
enttäuscht, kommt gerade von der zweiten Wunderheilungs-
Vorstellung
zurück.
Lug und Trug, Massenhysterie und Geschäftemacherei sei
es gewesen:
Nach der ersten Show habe er keinerlei Beschwerdelinderung
verspürt, obwohl
der Medienpastor ständig verzückt die gerade stattfindenden Wunderheilungen
anpries.
Enttäuscht habe Paula daraufhin Hinns langen Wagenkonvoi auf dem Weg
zum Hotel aufgehalten, indem er sich mit seinen Krücken mitten auf die Straße
stellte.
Die Limousine von Pastor
Hinn
habe tatsächlich angehalten, und eines der hinteren Fenster sei hinuntergeglitten:
“ Come
tomorrow, Jesus will heal you!”
habe ihm der Massenmagna(e)t zugerufen,
bevor die Kolonne weitergefahren sei.
In der Nacht spürte Paula dann tatsächlich
eine Veränderung seiner Hüftbeschwerden.
Sonst nur bei Belastung schmerzhaft,
sei er von plötzlichem Brennen in seiner Hüfte aufgewacht.
Und am Morgen
fühlte er sein Herz in der Hüfte pochen.
Bei der nächsten Benny Hinn-Show am nächsten Abend habe Paula in der
ersten Reihe, gleich unter der Bühne
gesessen.
Direkt über ihm habe Hinn, vom Hintergrundchor untermalt, Wunderheilungen vollführt.
Scharenweise seien Kranke vorgestellt und auf die Bühne gekarrt worden.
Vom
Meister berührt, seien sie wie vom Blitz getroffen umgefallen, hätten sich
rhythmisch zuckend auf dem Boden gewälzt und seien kurz darauf glücklich
und von ihrem Leiden befreit wieder abtransportiert worden.
Sehr verwundert
habe Paula jedoch bemerkt, dass ein angeblich seit Jahren Beingelähmter nach
dem Wunder seiner Heilung mit seitengleich kräftiger Beinmuskulatur vom Rollstuhl
stieg.
Mehrfach habe Paula versucht, trotz tierischer Hüftschmerzen ebenfalls
auf die Bühne zu gelangen.
Jedes Mal sei er jedoch von den Security- Leuten
aufgehalten und zurück an seinen Platz bugsiert worden.
Da habe er beschlossen, Pastor Benny in dessen Hotel “aufzulauern”.
Als
dieser, von 6 Leibwächtern umringt, tatsächlich dort auftauchte, habe er
für Paula keine Augen mehr gehabt.
Fast habe sich Paula aus Frust und Enttäuschung
mit seinen Bodyguards angelegt.
In derselben Nacht sei die pochende Schwellung an der Hüfte dann aufgeplatzt
und zu Paulas Entsetzen sei es gelb aus seiner Hüfte gelaufen - habe
aber, zu seiner
Erleichterung,
den Schmerz mit genommen.
Beim Frühstück erschrak Paula, als er eine kleine Blutlache unter sich
bemerkte.
Er wußte sich keinen besseren Rat, als seinen Rückflug nach Tonga
zu verschieben und sich in der Ambulanz des Krankenhauses in Samoa vorzustellen.
Während der Arzt ihn untersuchte und röntgte, habe Paula ihm seine Geschichte
erzählt.
Der Arzt diagnostizierte eine ausgedehnte Wundinfektion; außerdem
müsse die Hüfte operiert werden.
Dennoch sei Paula ein Glückspilz, weil
gerade ein australisches Spezialistenteam von Orthopäden und Chirurgen
auf Samoa sei und hier im Rahmen eines 4-wöchigen Entwicklungshilfe-
Projektes operiere.
Paula wurde dem Team vorgestellt, ein Op- Termin für den 17.5.01
anberaumt. Bis dahin bekämpft ein Antibiotikum die Infektion.
Der Plan, mit seinem jetzt gemäß Sicherheitsstandards ausgestatteten
Popao nach Samoa zu segeln, besteht weiterhin.
Freitag, 11.5.01:
Heute, am Tag der Tombola kommt Paula mit Polynesian
Airlines aus Samoa
zurück.
Er
zeigt uns seine infizierte Hüfte, will sie abgebildet wissen (s.o.).
Mia, Astrid und MArtin haben einen Termin bei der Polizei, um
die
1892 verkauften Lose amtlich kontrollieren- und versiegeln zu
lassen.
Die eigentlich für gestern geplante Ziehung war verschoben worden, weil die Polizei
gestern Feierabend machte, noch bevor die Ticketliste vollständig abgearbeitet
war.
Deshalb werden heute um 17:30 in der Waterfront- Bar und unter
amtlicher
Aufsicht die Gewinner gezogen.
Ein Polizist schüttelt den großen Karton mit den
zusammengeknäuelten Losen, bevor Glücksfee Paula den Hauptgewinn, das Returnticket
nach
Auckland, aus der Box zieht.
In der Hoffnung, ihre in Neu- Seeland wohnenden Verwandten einmal besuchen
zu können, hatten vorwiegend unbetuchte Tonganer Lose gekauft.
Sie gingen,
ebenso wie unsere Online- Ticketkäufer leider leer aus:
Der Hauptpreis fiel
nämlich an Honourable Tevita Tupou, den amtierenden Justizminister, General
Staatsanwalt und Vize- Premier- Minister von Tonga!
Wunder gibt’s ...
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