Dienstag,
März 2002
Unser erster Morgen auf Foiata Island (Karte)
beginnt mit Meeresblick - vom Bett aus, wie auf Foiata üblich.
Etwas erhöht von
den
possierlich in der Naturdusche herumkraxelnden Einsiedlerkrebsen
auf einem Sandstein stehend, verliert man auch bei der
Morgendusche
das 10m entfernte Meeresblau nicht aus den Augen.
Zähneputzen dann nackt auf der großzügigen Holzterrasse, während
Sonne und eine warme Brise der Haut schmeicheln und sie lufttrocknen.
Selbst wenn alle verstreut liegenden fünf Strandhütten (Fales)
bewohnt sind, ist man doch für sich und sichtgeschützt.
Wir fühlen uns pudelwohl. Natürlich wissen wir, dass wir uns diesen
Luxus nie leisten könnten, wenn wir ihn
regulär
bezahlen müssten. Immerhin kostet eine Übernachtung im Blue Lagoon
Resort regulär knapp 100,-$ US. Aber in den nächsten Wochen bleibt
das Resort wegen Renovierung geschlossen und während wir dabei helfen,
sind wir neben Friedel die einzigen Bewohner Foiatas.
Unser
erster
Insel- Erkundungsgang bestätigt, was wir auch schon in Neiafu gesehen
haben: Die Inselwelt Vava’u’s, vor 2 Monaten von Hurrikan
Waka völlig entlaubt, hat seither von häufigem Regen profitiert.
Allenthalben sprießt zartes Junggrün stammnah aus den Bäumen.
Aber noch bezeugen kreuzweise übereinander gestürzte Stämme, dass
sich das Auge des Zyklons in der Neujahresnacht tatsächlich direkt
über Vava’u befunden hat.
Den Anlegesteg und
sogar
den eisernen Leuchtturm auf dem Gipfel der Insel hat Waka brutal
aus den Betonsockeln gehoben, abgeknickt und weggerissen.
Nur wenige Frucht- Fledermäuse haben Waka überlebt.
Etwa 10 magere dieser Flying Foxes (Fruit
Bats) hängen mit hungrigen Augen in den Bäumen der kleinen Insel
und bringen nur unwillig
die
Energie auf, beim Nahen von Menschen wegzufliegen.
Bis sie sich endlich wieder an ihrer Lieblingsspeise, den reifen
Papayas, sattschwelgen können, werden mindestens fünf weitere
Monate vergehen.
Bis dahin knabbern die fliegenden Hunde (sie sind übrigens Säugetiere)
frustriert an strähnigen Pandanussamen oder fressen
sogar
Blätter, um bei der kargen Ernährungslage nicht zu verhungern. (Ein
Foto aus besseren Zeiten: Fledermaus
an Papaya.)
Wir sind da wesentlich besser dran:
Als wir die paar Holzstufen zum Restaurant mit dem großen
schwerkraftverleugnenden
Fliegenpilzdach hochsteigen, erwartet uns bereits ein fürstliches
Frühstück inklusive frisch gebackener Brötchen. Feleti ist gelernter
und in 30 Jahren feinstem deutschem Hotelbetrieb mehrfach abgebrühter
Küchenmeister und, wie die folgenden Bilder beweisen, der Hundertwasser
des Südpazifiks und Tausendsassa von Foiata Island.
Zusammen
mit seiner Frau Ma’ata führt er das Resort als Familienbetrieb und
stellt sich - auch bei den Essenszeiten - auf die Bedürfnisse seiner
Gäste ein.
"Heeeeeeeeeeeeeeeiiih, wat kuckst'n Du da ?" poltert Feleti
in breitestem Pott- Slang scherzhaft, als Astrid sich nach ausgiebigem
Frühstück für seine Bibliothek interessiert. In zwei Regalen türmen
sich nämlich Kochbücher u.a. von La Rousse und Bocuse mit Illustrationen
von Salvadore Dali.
Doch internationale Rezeptbücher, die jede kochbegeisterte Hausfrau
beglücken würden, entlocken Friedel lediglich respektloses Augenrollen:
„Warum meinen
Alle,
sie könnten einem Koch mit Kochbüchern eine Freude machen?“
In Wirklichkeit dürstet ihn nach deutscher Literatur, wobei
insbesondere
nicht ganz antiquierte SPIEGEL- Ausgaben sein expatriotisches Herz
höher schlagen lassen.
Über Torheiten deutscher Politiker kann sich Feleti hier auf seiner
privaten Südseeinsel ebenso lautstark ereifern wie über Tonganische
Arbeitsmoral oder überdreiste Südseetouristen.
Echte Arbeitsmoral
will
bei ihm selbst derzeit aber auch nicht recht aufkommen:
Bis zur Ankunft der ersten Gäste sind noch sieben Wochen Zeit -
und die Hurrikansaison ist noch nicht vorüber.
Warum denn doppelte Arbeit riskieren?
Also gehen wir erst mal gemeinsam schwimmen.
Foiata
hat einen der wenigen weit ins Wasser reichenden Sandstrände
Tongas und der kann, was noch seltener ist, gezeitenunabhängig zum
Schwimmen- und Schnorchelgehen benutzt werden.
Etwa zwei Stunden lang
tummeln
wir uns im zwischen 28 und 35°C warmen Wasser, bevor wir uns ermattet
mit dem ersten Buch aus Feletis Bibliothek am Strand abhängen.
“Was’n
Leben”
blinzelt Astrid träge in die Sonne. Wir können unser Glück gar nicht
begreifen, haben aber nach den drei letzten kargen Monaten auf Tongatapu
irgendwie den Eindruck, dieses Leben jetzt auch mal “verdient” zu
haben.
Noch vor
Sonnenuntergang entpacken wir unseren Tagesrucksack und richten
uns in der “Fale Mango”, direkt zwischen einem riesigen Mangobaum
und dem Strand gelegen, häuslich ein.
Feixend bemerken wir, dass hier ganz entgegen sonstiger Tonganischer
Gepflogenheiten keine Bibel auf dem Nachttisch liegt.
Mittwoch
Beim reflexhaften morgendlichen Blick auf seine Armbanduhr
erkennt MArtin wie
lächerlich
es ist, auf Foiata
Zeit
messen zu wollen: Der Tagesablauf hier wird ausschließlich von Sonne
und Wetter bestimmt. Seine Uhr wandert nun bis zur Abfahrt von Foiata
in den Rucksack und bereits morgen wissen wir den Wochentag nicht
mehr. “Zeitlich desorientiert” nannten wir das früher und werteten
es als Symptom.
Wenigstens haben wir den Eindruck, “zur eigenen Person” orientierter
zu sein denn je.
Astrid schießt das erste Foto des Tages von unserem Bett aus.
Heute
führt uns
Feleti
über seine 77.000 qm kleine Insel.
Hin- und hergerissen zwischen Trauer und Stolz zeigt er uns,
wo Hurrikan Waka an Silvester reingehauen hat - und wo nicht.
Die nach Waka überall verstreut kreuz- und quer liegenden entwurzelten
Bäume,
herabgewehten
Palmwedel und geborstenen Äste sind bereits fast überall weggeräumt.
Vier der sechs Strandhütten sind beim Sturm vergleichsweise
glimpflich davon gekommen:
Die beiden Beach- Fales in Restaurantnähe haben den Zyklon weitgehend
unbeschadet überstanden und „unsere“ Fale Mango, war schon nach kleineren
Renovierungsarbeiten wieder bezugsbereit.
Das
in Bau befindliche große Rundhaus mit dem noch silberfarbenen Dach
hätte Ende Januar
eingeweiht
werden sollen, aber Waka hat die noch unfertigen Fenster- und Türrahmen
eingedrückt
und das gesamte Gebäude geflutet.
"Peanuts" behauptet Feleti und lässt, auf dem Klo des aufwendigen
Rohbaus thronend, wortgewandt das geplant- beeindruckende Interieur
der Fale vor unseren geistigen Augen entstehen.
Größtes Problem seien derzeit die für die Tonganische Dachdeckung
erforderlichen 2000 geflochtenen Palmwedel. Erst im Mai werden dafür
genügend Palmblätter nachgewachsen sein.
Wir wissen aber auch das Silberdach
bereits zu schätzen, denn es
leuchtet uns im Mondlicht immer den Weg nach Hause.
Den
zweiten Teil des
Inselrundgangs verschieben wir auf übermorgen und gehen
erst mal an den Strand, um unserer Haut ein paar Strahlen Südseesonne
zu spendieren - und zu schmökern. Astrid
ist ganz fasziniert von der Biografie
Queen Salotes, während MArtin “Magellan” von Stefan
Zweig weiter liest. Das spannende Buch schildert das abenteuerliche
Leben, die waghalsige Reise und den unnötig frühen Tod (1521) des
ersten Weltumrunders (vgl. Manila1)
und ist auch literarisch ein Genuss. Hier
kannst Du weitere Rezensionen zu Magellan von Stefan Zweig lesen oder
das Buch bestellen.
Auch einen kurzen Lebenslauf
Magellans haben wir
im Web gefunden. Vielleicht gibt’s im Internet noch andere interessante
Links zu Magellan ? (vgl. Link?)
Hühner
sind Vögel...
Das klingt zwar banal, wird MArtin in aller Konsequenz
aber
erst heute auf dem Weg zum
Frühstück
bewusst, als plötzlich ein aufgeschrecktes Huhn laut gackernd aus
dem Unterholz bricht, ihm dicht am Kopf vorbei fliegt und ihn so
mächtig erschreckt.
Hier auf Foiata leben etwa einhundert wilde Hühner versteckt.
Sie ahnen nicht, dass ihre “zivilisierten” Artgenossen in Legebatterien
vegetieren und sind glücklich, obwohl Feleti krähende Hähne regelmäßig
dezimieren lässt.
Wie zu Urzeiten scharren und picken sie; legen und brüten Hennen
ihre
Eier
im Busch, beglucken ihre Küken und fliegen zum Schlafen hoch auf
einen Ast.
Kein Wunder, dass Wildhühner bei soviel gesunder Ernährung und sportlicher
Betätigung oft nicht alt werden: Sie gelten den Tonganern als seltene
Delikatesse.
Die allermeisten auf Tonga verzehrten Hähnchen
werden
dennoch mehr oder weniger tiefgefroren aus Neuseeland oder USA importiert.
Feleti würde uns zum Dinner Wildhuhnragout kochen.
Vorausgesetzt wir schaffen es, ihm die äußerst scheue Haupt- Zutat
zu besorgen. “Ihr seid doch Akademiker - lasst Euch was einfallen”
brummt er.
Das Angebot ist nicht neu: Bereits gestern hatten wir erfolglos
versucht, mit ausgestreutem Reis und einer Hühnerfalle für das Abendbrot
zu sorgen.
Heute
probieren
wir es mit geöffneten Kokosnüssen und vorherigem Anfüttern.
Obwohl wir uns wie die Indianer anschleichen, gewahren uns die Hühner
auf 50m Entfernung und flüchten in den Busch.
Etwa
eine Stunde müssen wir mit der Reißleine in der Hand regungslos
hinter einer Mauer kauern, bis sich
die
ersten Gockel wieder hervortrauen. Mit angehaltenem Atem warten
wir, bis mindestens vier kükenlose Hühner unter dem mit Draht bespannten
Holzrahmen Kokos picken.
Mit einem Ruck zieht MArtin den Stecken weg und die Falle klappt
zu.
Mit großem Messer stehen wir nun ziemlich hilflos vor dem Drahtgefängnis,
in dem
vier
verdutzte Hühner aufgeregt umherflattern.
Eines nutzt unsere Unsicherheit, hebt mit seinen Flügeln den Rahmen,
zwängt sich durch den Spalt und flüchtet laut schimpfend (nicht-
tonganische hätten geflucht) in die rettende Freiheit.
Der akademische Teil ist vollbracht, für die nun folgende Bluttat
brauchen wir den Mann für’s Grobe: “Feleti hilf!” Während MArtin
den Rahmen beschwert, läuft Astrid hinunter zum Restaurant.
Wie Rübezahl mit Sieben- Meilen- Stiefeln erscheint Feleti. Routiniert
packt er ein Hinkel “bei die Füße”, hebt es in hohem Bogen hoch
und
donnert es mit dem Kopf gegen die Mauerkante. Mit schnellem Schnitt
trennt er sodann den Kopf vom Hals und lässt das Huhn flatternd
ausbluten. “So jeht dat, den Rest schaffta doch alleine, woll ?!”
Wir zwingen uns dazu, obwohl uns schon beim Griff an die zappelnden
Hühnerbeine Wogen des Mitleids überfluten.
Beim
Rupfen
der noch körperwarmen Vögel sind wir über deren Zierlichkeit erstaunt.
Wegen reicher Beute gibt’s am Abend Grillhähnchen statt Fricassée.
Beim Essen werden uns sowohl geschmackliche als auch anatomische
Unterschiede sehr deutlich:
Die wilden Hühner haben nur etwa halb soviel Fleisch an den Schenkeln
wie die aus BRD gewohnten und fast gar kein Brustfleisch. (Haben
die Hormon- Skandale in BRD eigentlich zu östrogenärmeren Hähnchen
geführt?)
Jeder verputzt mühelos ein ganzes Wildhuhn, ist hinterher aber weniger
gesättigt als nach einem halben hormonkraftfuttergepowerten Grillhendl.
...ihr Fleisch ist ziemlich zäh und der Geschmack intensiv.
Über Nacht ist eine tropische Depression (
Wettervorhersage
Tonga)
eingezogen.
Boeige Windspitzen
klatschen
fette Regentropfen an die Fensterläden, die Temperatur sinkt von immer
um 30° auf kühle 23°C. Während wir sonst vom seichten Wellengeplätscher
der Lagune in den Schlaf gewiegt werden, hat diesmal das Tosen der
ostseitigen Brecher unsere Träume begleitet.
Solche Wetterperioden
halten
meist mehrere Tage an und sind für die südpazifische Herbstzeit typisch
(stabil- angenehmes Wetter würde man auf Tonga etwa von Mai bis Dezember
erwarten). Das weiß natürlich auch Feleti: Um uns während der Schlechtwetterperiode
zu
beschäftigen hat er bereits Ma’atas zwei hurrikangeschädigte
Computerboliden im Restaurant aufgebaut und, in gastfreien Zeiten
eher die Ausnahme, den Stromgenerator angeschmissen. Es dauert
tatsächlich
einige Tage bis einer der Rechner, von defekten RAM- Platinen, Kakerlakennestern
und deren organischen Verunreinigungen befreit, endlich wieder das
Windows- Logo zeigt.
Bevor wir ihn jedoch richtig benutzen können zerstört der bizzelnde
Kriechstrom einer Erdschleife weitere Chips.
Nachhaltigere Erfolgserlebnisse verschafft uns
die
Reparatur einer anderen Wundermaschine, die seit Monaten ihre segensreiche
Funktion eingestellt hatte:
Der Moskitomagnet.
So was gibt’s nicht? - Doch, so was gibt’s!
Auf allen (sub-) tropischen Paradiesen leben bekanntlich auch Moskitos.
Gemeinhin versucht man, sich die blutsaugenden Weibchen mit Repellentien
und Giften vom Leibe zu halten.
Tonnenweise
werden
Moskitospiralen verräuchert und zentnerweise gelangt deren Asche über
mannigfaltige Wege in unsere Nahrungskette. Oft völlig umsonst, weil
die Schnaken einfach mit dem Essen warten, bis der Coil herunter gebrannt
ist.
Der propangasgetriebene amerikanische Moskitofänger wirkt dagegen
konsequenter
und intelligent umweltschonend: Er lockt Mücken biochemisch an und
saugt sie anschließend in die Falle.
“Suck and destroy” sozusagen. Die praktische Umsetzung ist brillant
gelöst, denn die Gasflamme erzeugt neben dem Lockstoff CO2
über ein Peltier- Element auch die Elektrizität für
den
eingebauten Computerventilator.
Eine Gasflasche reicht für drei Wochen ununterbrochenen Betrieb.
Bereits fünf Tage nach Wiederinbetriebnahme des Insektensaugers fanden
wir Tausende von Moskitoweibchenleichen auf dem Boden seines Fangbeutels
liegen, während im Moskitonetz noch etliche Todeskandidatinnen vergeblich
gegen den Sog anschwirrten. Bei
diesem
juckreizstillenden Anblick kann man als notorischer unfreiwilliger
Blutspender auch ohne Hang zum Sadismus Genugtuung empfinden.
Weil Feletis Restaurant fünf Wochen später quasi moskitofrei war
denken wir, dass der Moskitomagnet eine geniale Erfindung ist und
nehmen
ihn, obwohl mehr für Resortbesitzer als für Traveller interessant,
in die Liste sehr empfehlenswerter Artikel auf. Mehr zu diesem genialen Moskitofänger bei mosquitomagnet.com.
“Und wo bleibt der zweite Teil des Inselrundganges und das bereits
im Kapitel
Verschollen
versprochene Schmankerl aus dem Blue Lagoon Resort?”
Die mussten wir wegen Überlänge in ein zweites Kapitel über Foiata
verschieben. Es wäre schon abrufbar, wenn
nicht ...
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