In
Deutschland kam Kawa Kawa ( wiss. Piper methysticum) ins Gerede,
als Kava- haltige Psychopharmaka gegen Unruhe und Schlafstörungen
wegen Verdachts auf potentielle Leberschädigung vom Markt
genommen wurden.
Das hat in der Südsee hohe Wellen der Entrüstung
geschlagen.
Auf Tonga ist Kava nämlich Teil der Historie, der Kultur, des Alltags,
ja des Selbstverständnisses. Die Identifizierung ist so stark, dass
Kava im Königreich Tonga „Kava Tonga“ genannt
wird.
Das Trinken von Kava symbolisiert seit vielen Jahrhunderten
das tonganische Sozialleben, ist die vorchristliche südpazifische
Variante des Abendmahls und unerlässlicher Bestandteil von Zeremonien.
Nicht einmal der König kann ohne ohne Kava gekrönt werden.
Um dieses Getränk ranken sich Sagen und Legenden; die gemeinsam
geleerte Kava- Schale ist der Tonganische Handschlag und die traditionelle
Einladung zum Palavern.
Nicht umsonst hat Aneti Moi Moi in ihrem Buch
von den freundlichen Inseln (vgl. Buchempfehlungen
Tonga) die 3 Leidenschaften Tonganischer Männer treffend mit
den 3 Ks beschrieben:
Kriegskeulen - Kanus
- Kava.
Egal
wann und wo wir auf Tonga waren, immer spielte Kava gerade eine
entscheidende Rolle im Alltagsleben unserer tonganischen Nachbarn.
Nicht nur als Kava- Getränk in den allgegenwärtigen Kava-
Clubs und bei hochoffiziellen Kava- Zeremonien, sondern auch als
zu pflanzender Setzling, zu gießender Ableger, zu erntendes
Kraut, zu trocknende Wurzel, zu stampfende Stecken, zu verpackendes
Pulver oder zu kaufendes Mitbringsel.
Die verschiedenen Arbeitsschritte bei der Produktion von Kava zogen sich
wie ein roter Faden durch unseren gesamten 15- monatigen Aufenthalt auf
Tonga und MArtin hat etliche halbe Kokosnussschalen davon geleert.
Die Kava- Saga
Die überlieferte Herkunftslegende der Kava- Pflanze ist Luise mächtig
auf den Magen geschlagen, denn sie ist fast so blutrünstig wie ein
Grimm- Märchen und stammt aus einer Zeit, als Selbst- und Fremdverstümmelung
auf Tonga noch als Zeichen von Ehrerbietung und Respekt galten und Kannibalismus
gang und gäbe war:
Einst erwartete man auf einer kleineren Tonganischen Insel die Ankunft
der königlichen Kalia (Fotos
einer Kalia) mit einigen Elite- Kriegern an Bord.
Aus Angst, es könne
für den königlichen Besuch nicht genügend aufgetischt
werden, hatte ein Chief seine an Lepra erkrankte Tochter geschlachtet
und traditionell im Umu (Erdofen) für den blaublütigen Gast
zubereitet.
Aus nicht näher bekannten Gründen verschmähte
der Tu’i wider Erwarten jedoch das Festmahl, sodass man die angekohlte
Leiche des sinnlos gemetzelten Mädchens in Tapa hüllte und
begrub.
Im folgenden Frühjahr soll dem Kopf des Mädchens eine bislang
unbekannte Pflanze entsprungen und auf dem Grab gewachsen sein. Als man
die angenehmen psychotropen Eigenschaften dieser Pflanze entdeckte, benannte
man sie nach dem Mädchen, dessen totes Haupt sie hervorgebracht
hatte: Kava.
Kava wirkt beruhigend und
aggressionsmindernd, was dem friedlichen Sozialverhalten der von jeher
eher verklärt-
kriegerisch eingestellten Tonganer sehr zuträglich war. Noch heute
sieht man frühmorgens lammfromme Männer in brüderlicher
Eintracht Arm in Arm und steifen Schrittes aus den zahlreichen Kava Clubs
kommen. Zuvor hatten sie stundenlang im Schneidersitz im Kreis sitzend
literweise Kava getrunken, endlos palavert und gesungen.
Übrigens ein wohltuend krasser Gegensatz zu ihrem Verhalten nach dem oft
grenzenlosen Genuss von „Kava Palangi“ (Alkohol), der nicht selten
mit kurzen Keilereien endet. Und wo Tonganer, meist Freitag abends, als schwerste
und kräftigste menschliche Rasse hinschlagen, wächst lange Zeit kein
Gras mehr…
Von einer Rangelei in einem Kava- Club haben wir nur ein einziges Mal
(im Tonganischen Radio) gehört. Ihren Hintergrund wollen wir als
denk- würdige Parabel für mögliche Weltbilder im Soziotop
Tonga unter der Überschrift "Bruce Willis versus Bin Laden" nochmal
als separate Anekdote im Tonga-Tagebuch erzählen.
Bei Interesse und Zeit.
Pflanzung, Ernte und Verarbeitung von Kava
Kava wird aus den getrockneten
Wurzeln etwa 3 Jahre alter Kavapflanzen gewonnen. Die Wurzeln älterer
Pflanzen wirken zwar intensiver und gelten als seltene Delikatesse, ein
längerer Anbau lohnt aber finanziell nicht.
Die ersten Schwielen und Kreuzschmerzen bekommt man beim Vorbereiten
des Kava- Feldes. Kein Feld im deutschen Sinn des Wortes, vielmehr handelt
es sich um ein teilweise von Wildpflanzen bereinigtes Stück Busch,
auf dem neben Kava wahlweise auch Kokospalmen, Bananen, Taro oder Kape
wachsen. Wildpflanzen machen ihrem Namen bei dem
feucht- warmen Klima auf Tonga allerdings besondere Ehre und sind, auch
mit der Machete, kaum beherrschbar. Konsequentes Jäten wird jedoch
mit einem Ertrag von bis zu 250kg Kavapulver pro Hektar belohnt. Bei
einem Kilopreis von 15€ ein lukratives Nebengeschäft.
Während tagsüber das gerade abgeerntete Kava- Feld für
die neue Generation entkrautet wird, werden abends die Stämme der
geernteten Kavapflanzen in Stücke gehackt. Die sind etwa 15cm lang
und tragen an ihren Enden intakte Augen. In feuchte Tücher gehüllt,
keimen die pfenniggroßen Augen dieser Schnittlinge nach wenigen
Tagen aus. Diese Stecklinge werden dann jeweils paarweise- kreuzweise
10cm in die Erde gepflanzt
und vor rüsselnden Schweinen geschützt.
Während des Wachstums braucht die Kavapflanze wenig Pflege. Nur
während einer Trockenperiode müssen Jungpflanzen täglich
aus dem Regentank bewässert werden. Dabei haben wir
auf Telekivava'u in der Villa
Mamana geholfen.
Zur Ernte nach 3 Jahren werden die gesamten Wurzelballen der Kava- Pflanze
sorgfältig ausgegraben und sauber gespült. Mit der Machete
werden die Wurzeln anschließend voneinander getrennt und nach Dicke
vorsortiert. Je größer der Durchmesser der Wurzel, desto stärker
entströmt ihr ein eigentümlich sanft- erdiger Geruch. Dennoch
haben die kleinen, zartgliedrigen Wurzeln die höchste Rauschpotenz
und gelten als erste Wahl.
Es folgt der Feinwaschgang, vorzugsweise im Betonmischer, falls vorhanden.
Nun hofft man auf mehrere Tage ohne Regen, denn die Wurzeln müssen
- meist auf den Wellblechdächern von Häusern - in der Sonne
getrocknet werden.
Sind die Wurzeln durch und durch getrocknet, werden
sie in kindsgroße Nylonsäcke verpackt.
Einige Säcke werden auf die Hauptinsel Tongatapu exportiert, wo
sie von großen Kava- Vertriebsfirmen aufgekauft und teilweise exportiert
werden. Andere verbleiben zum Verbrauch im dorfeigenen Kava- Club, der
regelhaft an eine Kirche angeschlossen ist. „Die Guten ins Töpfchen,
die schlechten ins Kröpfchen“ sozusagen.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein
zerkaute man noch die getrockneten Wurzeln, statt sie mechanisch zu zerstampfen.
Dann wurde der entsehende Saft ausgespuckt und, mit Wasser versetzt,
als Getränk gereicht.
Luise schüttelt sich. „Wie eeeklig!“ stöhnt sie
leise.
Das dachten sich wohl auch die ersten Missionare und erfanden die Methode
des Pulverisierens zwischen zwei Vulkansteinen von der Insel Tofua.
Ihre findigen Nachfahren haben dafür inzwischen Motor getriebene
Kava- Stampfmaschinen konstruiert.
Ihr stundenlanges rhythmisches Stoßen ist auf Tonga zur rechten
Zeit fast überall zu hören.
Irgendwo hätten wir sogar noch eine Aufnahme davon...
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Erst wenn alle Wurzeln zu einem Curry-
artigen Pulver zermahlen sind, wird der Kava- Staub unter den ortsüblichen
hygienischen Kautelen in kleine Plastiktütchen zu etwa 200g-
Portionen abgepackt und gelangt so zum Verkauf in die Regale der
Fale Koloas. Wer zu einem Kava- Club geht, bringt meist ein solches
Säckchen mit.
Mehrfach durch den „tangai“ (ähnlich einer Nylon-
Damenstrumpfhose) geseiht, ergibt das Pulver etwa 8 Liter trinkfertige
lehmfarbene Kava- Brühe. |
Die Kava- Zeremonie
Die 66- jährige Tonganerin Fololeni erinnert die Vorbereitungen und
die Kava- Zeremonie eher als eine unangenehme, anstrengende Pflicht:
In der ansonsten nur aus 10-30 Männern bestehenden Runde, in der
man streng nach Rangordnung sitzt, kniet sie seitwärts als unverheiratetes
junges Mädchen an der Stirnseite.
Anmutig muss sie als „tou’a“ die
Wurzeln wieder und wieder von Hand waschen, zwischen den Vulkansteinen zerstampfen
und mit Wasser versetzen.
Dann nimmt sie ein Knäuel langfädiger
Hibiskusfasern und wringt sie durch das Wasser, bis die ocker- gräulich-
trübe Brühe die richtige Konsistenz ohne Bröckchen aufweist.
Nun schüttet sie den Trank in die traditionelle, aus der Scheibe
eines dicken Baumstamms geschnitzten vierfüßige Standschale.
Dauernd muss die lehmige Brühe gerührt werden, damit sich kein
Pulver absetzen kann.
Wenn der Ranghöchste laut in die wuchtigen Hände klatscht und
damit eine neue Trinkrunde einläutet, schöpft sie mit einer
halben hochglanzpolierten Kokosnussschale Brühe aus dem Trog in
eine zweite Kokosschale,
die sich dann, von Hand zu Hand im Rund weitergereicht, auf die Reise
zum Alpha- Männchen macht. Beim Empfänger angelangt, wird sie
in einem Zug geleert und Fololeni in einer geübt schwungvoll- kunstvollen
Armbewegung wieder zu Füßen geworfen. Dann wird reihum der
Nächste bedient und beim nächsten Händeklatschen wiederholt
sich die ganze Prozedur.
“Früher waren
Kava- Clubs die einzige Gelegenheit, junge Männer kennen zu lernen – meinen
Mann hab’ ich auch beim Kava- Kalapu (Club) getroffen“ verrät
Fololeni.
Dass sich ein Junge für sie interessierte habe sie damals sofort
gewusst, als sie vom Vater erstmals zum „fai kava eva“ gebeten
wurde. Fürchterlich peinlich sei es gewesen. Wie üblich habe
sich der Bewerber schüchtern neben sie gesetzt. Während der
nächsten Stunden seien die beiden dann den anzüglichen Witzeleien
der um sie herum sitzenden Männer ausgesetzt gewesen. Wer da nicht
schlagfertig zurück schießt, muss in
den folgenden 5 Stunden qualvolle Hänseleien ertragen. Denn mindestens
so lange dauert das gemeinschaftliche Trinkgelage, bei dem manche Teilnehmer
bis zu 10 Liter Kava trinken können.
Nachdem die ersten Kontakte zu ihrem zukünftigen Mann dank Kava
etabliert waren, verlor Fololeni rasch das Interesse am Kava- Ausschank. „… und
weil meine Wurzeln nie sauber waren und mein Pulver
immer grobe Stücke enthielt, musste mein Vater schließlich
einsehen, dass ich dafür wohl zu dumm war..." kokettiert sie
und strahlt Astrid mit vergoldeten Schneidezähnen an. Ihren Mann
hat sie übrigens vor 12 Jahren verloren, als sein Fischerboot eines
Tages nicht mehr heim kehrte und nie wieder gesehen wurde.
Früher wie heute werden offizielle Kava- Zeremonien („Taumafakava")
auf Tonga vor allem bei politischen Anlässen und Titelverleihungen,
aber auch bei Anlässen wie Beerdigungen oder Hochzeiten durchgeführt.
In aller Regel sind die Männer dabei unter
sich und halten eine rangabhängige Sitzordnung ein: Die Hauptperson
sitzt der Kavaschale gegenüber, der Rangunterste neben ihr.
Will ein Paar heiraten, bittet der zukünftige Ehemann seine Eltern
und die männlichen Verwandten seiner Sippe darum, die Familie der
Angebeteten zu einer Kava- Zeremonie einzuladen. Die zukünftige
Braut wiederum spricht mit ihren
Eltern und bittet die Männer ihrer Sippe ebenfalls um Annahme der
Einladung. Die Hochzeit- vorbereitende Kava- Zeremonie findet dann im
Elternhaus der Braut statt, sie selbst ist für die Zubereitung des
Kava- Trunkes verantwortlich. Durch gemeinsames Kava- Trinken besiegeln
die Männer die Zustimmung der Familien zur Hochzeit.
Bei einem zweiten Kava- Abend darf die Braut, in die schönsten Matten
und Ta'ovalas gehüllt und gewickelt, selbst an der Zeremonie teilnehmen.
Durch gemeinsames Austrinken der
Kava- Schale mit ihrem Bräutigam symbolisiert sie definitiv ihr
Einverständnis zur Hochzeit.
Am folgenden Tag finden dann standesamtliche und kirchliche Trauung statt.
Bei den Hochzeitsfeiern wird großzügig mit Tapas dekoriert
und Tapas sind auch das perfekte Hochzeitsgeschenk für eine Tonganische
Braut.
Erst am der Hochzeit folgenden Sonntag kommt die Nacht der Nächte,
in der das Paar erstmals ein gemeinsames Bett teilen darf – in
Anwesenheit ihrer ältesten Tanten. Aber das ist Tradition einer
ganz anderen Geschichte.
Eigene Erfahrung mit Kava
Der zunächst etwas unangenehme
Geschmack des Kavatrunkes verliert sich relativ rasch, weil der Mund
taub und die Zunge pelzig wird. Nach etwa sechs Kokosschalen stellt sich
ein leichtes Kribbeln der Fingerkuppen ein, später werden die Beine
schwer und staksig. Das erleichtert zwar stundenlanges Sitzen auf einer
Pandanusmatte im Schneidersitz (eine andere Sitzhaltung wäre unhöflich),
erschwert aber die Befriedigung
des zwangsläufigen Harndrangs. Zum Glück ist der Heimweg nie
weit, denn Kava- Clubs finden sich bei nahezu jeder der überaus
zahlreichen Kirchen.
Den wahren Kick in Form einer behaglichen inneren Ruhe erlangt man jedoch
erst durch wiederholten Kavagenuss an mehreren aufeinander folgenden
Tagen. Dann wird die Stimmung gelöster, man wird redselig und es darf
auch gesungen werden. Das Zeitgefühl verändert sich ebenfalls,
man ist schwer aus der Ruhe zu bringen und vermeidet Eile und Hektik.
Wegen der allgemein auf Tonga herrschenden Gemächlichkeit wird es
scherzhaft auch als „Königreich Valium“ bezeichnet. „Königreich
Kava“ wäre wohl treffender.
Obwohl Kawa Kawa angeblich kein Suchtpotential aufweist und viele wegen
seines bitteren Geschmacks das Gesicht verziehen, hat doch jeder Ort
seine Kava- Holics. Sie sind neben ihrer gelegentlichen morgendlichen
Arbeitsunlust an ihrer senffarben feinschuppenden Haut besonders streckseitig
am Unterarm und um die Augen herum erkennbar.
Links zu Kava:
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