Weihnachtlicher Newsletter aus Tonga

Für unser Jahres- round-the-world-ticket viel zu langsam, sind wir seit März 2001 im südpazifischen Königreich Tonga „hängen(d) geblieben“.

Mittlerweile sind wir hier 30 Mal umgezogen und lernten dabei liebe Menschen, aber auch lokale Machenschaften kennen.
 

Wir haben in miesen Löchern gehaust und residierten lustvoll in Märchenvillen auf menschenleeren Luxusinseln.


Mal tigerten wir mit leeren Mägen durch den Busch oder trugen sinnlos Fahrräder über’s Meer...  

dann wieder schlugen wir uns die Bäuche bei lukullischen Megafressen voll...

oder zogen uns wochenlang hinter Wände zurück, um e-Mail- und Homepagearbeit zu erledigen.

Wir haben pure Lebensfreude an lieblichen Meeresbuchten erlebt...,
 

aber auch die schwermütige Ratlosigkeit unseres Tonga- Blues, als wir über den weiteren ungewissen Verlauf unserer kontrastreichen Weltreise (und unserer Leben) sinnierten.

Die merk-würdigsten Momente haben wir in bewährter Arbeitsteilung konserviert:
Astrid hielt Aktuelles auf dem Psion fest, während MArtin zahlreicher Widrigkeiten zum Trotz versuchte, druckreife Zeilen zu verfassen, um sie mit ansehnlichen Fotos ins Web zu stellen.

Anfangs nur in der Hoffnung, die Lieben daheim relativ zeit- und gefühlsnah auf dem Laufenden zu halten.
Zahlreiche Einträge im Gästebuch, Fragen im Forum und steigende Besucherzahlen motivieren aber auch, (zukünftig) Reisenden eine Informationsquelle zu schaffen und virtuell Reisenden kurzweilige Surf- Stunden zu bereiten.

Wir sind gespannt, wohin uns der virtuelle Teil unseres Weltreisens leiten wird.

Bei Null startend, haben wir bezüglich Webveröffentlichung und Bilderbearbeitung dazu gelernt.
Die Bearbeitungsmöglichkeiten digitaler Bilder (vgl. Welt- Dias) scheinen unvorstellbar groß - sind aber bei guten Vorlagen und gutem Wetter unnötig oder oft durch einfallsreiche Perspektiven zu ersetzen.

Rechts siehst Du beispielsweise das überhaupt nicht modifizierte Foto eines Baby-  „Molokaus“, der sich in einer Cola- Flasche ersäuft hat...
 

Das linke Bild hingegen ist elektronisch etwas aufgepeppt, um die Zangen des ausgewachsen ca. 15 cm großen Hundertfüsslers besser sichtbar zu machen.

Molokaus (Centipedes) sind übrigens die einzigen giftigen Tiere auf Tonga und ihr schmerzhafter Biss ist gelegentlich sogar tödlich.

Bei unserer Rückkehr nach Tongatapu, dem einzigen Ort mit passabler Internet- Anbindung, sind wir in den Weihnachtsrummel der „Stadt der Liebe“ Nuku`alofa geraten.

Man schätzt, dass etwa die Hälfte aller Tonganer (ca. 100.000) im Ausland (NZ, OZ & USA) lebt (Details) und die daheim gebliebene Verwandtschaft finanziell unterstützt.
Viele dieser Exil- Tonganer kehren zur Weihnachtszeit zurück und Tonga platzt aus allen Nähten.

Schokofarbene Südsee- Insulaner mit roter Zipfelmütze und Weihnachtglocken- Ohrringen bedienen in den Geschäften und ganz Reiche können sich sogar einen der kitschig bunt- glitzernd geschmückten importierten Plastiktannen leisten.

Weihnachts- Knallfrösche leisten sich hingegen auch Arme. Es scheint Ihnen ein besonderes Vergnügen zu bereiten, die 25 T$, die ihre ganze Familie über einen Monat hinweg mit essbaren Knollen versorgen könnte, in wenigen Sekunden und möglichst laut in der Luft zerplatzen zu lassen und anschließend kein Geld für Essbares mehr zu haben.
Überall dudeln kirchliche Weihnachtslieder und seit 4 Wochen strahlt der christliche Fernsehsender OBN mehrmals täglich ein vor Jahren gekauftes Christmas- Special mit Weihnachtsliedern gesungen von Neil Diamond aus.
Politisch geht hier Einiges drunter und drüber. Das Verschwinden des 20 Mio.$ schweren Rentenfonds (etwa 50% des jährlichen Regierungsetats) hat sich ja sogar bis BRD herumgesprochen und zwei Ministern politisch den Kopf gekostet. Dennoch wird der hochbetagte, gelegentlich geistig etwas abwesend erscheinende König (er ernennt die Minister), überaus respektiert und behuldigt.

Heimlich wurde bereits Geld für den Fall seines Ablebens gesammelt und an der Grabstätte der königlichen Familie wird diskret gebaut.
Wenn es soweit ist, wird ganz Tonga Trauermatten tragen und in eine lähmende, monatelange Trauer versinken.
Vor der Missionierung war es bei solchen Anlässen üblich, sich als Trauerbeweis tiefe Schnittwunden zuzufügen und sich selbstverstümmelnd ganze Gliedmaßen abzuhacken.
Aber auch heute noch wird Trauer hier recht extrem ausgelebt, obwohl die meisten Tonganer nur selektierte Informationen über die Geschichte Tongas haben.
Die tonganische Schöpfungsgeschichte in englisch.
Aus Volksmund und besonders Frommers Südpazifik- Reiseführer zusammen gemixt, könnte man Tongas religiös- politische Geschichte etwa so karikieren:
Schon zu früheren Zeiten waren Tonganer religiös und glaubten an ähnliche Mythen wie Christen.
Die auffallendste Parallele zum christlichen Glauben ist die tonganische Legende, dass Gott Tangaloa vom Himmel herabkam, um mit einer hübschen (wenigstens nicht verheirateten) tonganischen Jungfrau einen Sohn zu zeugen.
Dieser sollte nach Gottes Willen jedoch nicht auf bestialische Weise geschlachtet, sondern bald Tui Tonga, der erste König von Tonga werden.

Und tatsächlich hatte die von diesem Halbgott abstammende Dynastie knapp ein Jahrtausend auf Tongatapu geherrscht, bevor die ersten englischen Missionare auf Tonga anlandeten. Nach tonganischem Glauben selbst unmittelbar von Gott abstammend, erwies sich der Tui Tonga logischerweise als ziemlich missionierungsresistent.
Es gelang den ersten überlebenden englischen Missionaren jedoch, den machthungrigen lokalen Stammeschef 

Taufa’ahau zum Christentum zu konvertierten.  Mit ihrer und Gottes Hilfe konnte dieser nach einigen blutigen Gemetzeln die fast tausend Jahre währende Dynastie der Tui Tonga brechen und, christlich getauft, 1845 als King George I den Thron von Tonga besteigen.
Reverend Shirley Baker gelang es, ihm dann 30 Jahre beratend zur Seite zu stehen und von dort unbehelligt sein weslyanisches Wesen zu treiben.

Die einstigen Mitkämpfer erhob King George I (direkter Vorfahre seiner heutigen Majestät) in den Adeligenstand, wo sich ihre teilweise Inzucht- gezeichneten Abkömmlinge noch heute befinden.

Die Tonganische Gegenwart (siehe Tonga-Links) ist von den hochsommerlichen Temperaturen der Hurrikansaison gekennzeichnet.
Die Yachten haben sich längst in sichere Häfen zurück gezogen. Niemand sucht mehr Mitsegler auf andere südpazifische Inseln.
Insofern fällt uns die Entscheidung darüber, wie unsere Reise weitergehen soll, nicht leicht.
Vielleicht werden wir nach Weihnachten auf einem Containerschiff Richtung neuseeländischen Sommer aufbrechen - die Erlaubnis des Kapitäns haben wir bereits.

Natürlich werden wir ab und an und besonders in der Weihnachtszeit sentimental und denken sehr häufig an unsere Lieben daheim und daran, wie fern wir ihnen sind.
Auch Sabine - unser erster Besuch aus Deutschland - hat unsere Sehnsucht, Euch wieder zu sehen nicht gestillt, sondern eher gestärkt.

Wir wünschen Euch daher ganz intensiv und von ganzem Herzen eine schöne Adventszeit mit Glühwein gegen die Kälte, ein paar besinnliche Weihnachtsfeiertage nach diesem ereignisreichen, die Welt verändernden Jahr 2001 und alles Gute für das Neue Jahr 2002!

Eure Weltreisenden
Astrid & MArtin