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Königreich Tonga
-> Ha'apai -> Telekivava'u ->
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Wir sind völlig
erschossen.
Bereits in der gestrigen Südseenacht hatten wir vor unserer frühmorgendlichen Abreise von ‘Eua nicht geschlafen und nach organisationsreichem Tag ist auch die heutige Nacht im tonganischen Tongatapu mit Packen und Website-Hochladen draufgegangen. Trotzdem spüren wir keine Müdigkeit, denn wir fiebern einem ganz besonderen Erlebnis entgegen: Weil die erhofften Promi-Gäste ausbleiben, und die Beiden andersweitig beschäftigt sind, haben uns Jörg und Lola eingeladen, ihre Luxusvilla MAMANA auf der “garantiert paparazzifreien” Privatinsel Telekivava’u zu hüten. Unsere Aufgabe wird zunächst sein, in der Trockenzeit die Kavapflanzen der Südsee-Insel zu gießen, Fotos zu machen und medizinisch / hygienisch nach dem Rechten zu sehen. Wenn wir uns dabei als inseltauglich erweisen und lernen, wie man eine ganze menschenleere Südseeinsel hütet, dann werden wir wohl einige Wochen menschenseelen-allein auf Telekivava'u verbringen. Als Haus- und Resorthüter haben wir auf unserer Weltreise zwischenzeitlich ja schon einige Erfahrung - aber "Island-Sitting", quasi nur mit einem Sack Reis und einer Angelrute ausgestattet und als einzige Menschen auf einer sonst nur mit Inselratten geteilten Insel, die Hunderte von Seemeilen von der nächsten polynesischen Zivilisation entfernt ist...? Ein Vergleich mit Robinso Crusoe würde allerdings hinken, denn die VILLA MAMANA ist derzeit die mit Abstand kostspieligste Unterkunft Tongas. Wir freuen uns also, bald am eigenen Leib erfahren zu dürfen, was die Nächte in der exklusiven Villa so einmalig macht, dass sie für Promis mit je 500 US $ zu Buche schlagen. Jörg, aus Rücksicht auf tonganische Zungen hier “Joe” genannt, war auf Proviantfahrt für einige Tage nach Tongatapu gekommen. Heute will er mit Lola und uns an Bord nach Telekivava’u zurückkehren. Um 5 Uhr morgens treffen wir uns mit ihm am Hafen von Nuku’alofa. Es ist noch stockduster, als wir auf Joes 12m langer Motoryacht VESPA in die platt und wellenlos vor uns liegende Südsee stechen. Kaum haben wir die tückischen Riffs von Tongatapu hinter uns gelassen, wirft Joe auch schon die Angel mit dem grellroten Silikonoktopuss aus. Als die Sonne im Osten fett orange aus dem Meer steigt, sind wir mit die Ersten, die an der Datumsgrenze das Licht eines neuen Tages erblicken. Das gleichförmige Tuckern des 135 PS starken Dieselaggregates lullt uns behaglich ein und eine bleierne Schwere lähmt unsere Glieder. “Ika! Ika!” ruft Kapitän Ma’ake aufgeregt, als die Ratsche der Hochseeangel schnarrend den ersten Biss verkündet. Schlagartig verfliegt die Müdigkeit. Jeder stürzt ans Heck, wo es mit vereinten Kräften tatsächlich gelingt, einen kapitalen Barrakuda an Bord zu hieven. Richtig üppig wird das heutige Abendessen aber erst durch eine Goldmakrele (Mahimahi) die wenig später Opfer ihres (und unseres) Hungers wird. Auf dem sonnigen Vorderdeck übermannt uns der Schlaf erneut und wie die Greenhorns erwischt uns die brennende Sonne im Schlaf. Besonders Astrids Gesicht wird Morgen leuchten wie eine vollreife Tomate. Der Trubel um vorbeiziehende Wale weckt uns und bewahrt unsere Haut vor Schlimmerem. Dann schauen wir fasziniert zu, wie eine Walkuh mit ihrem Kalb im Wasser tollt.
Die VESPA legt sie in fünf, das ebenfalls resorteigene Speedboat FISH & WHISTLE mit seinen 225 PS in nur zwei Stunden zurück. Beim Durchqueren des äußeren Riffs der Insel wechselt die Farbe des kristallklaren Wassers von satt- azurblau in türkis- smaragdgrün. Am Strand erwartet uns bereits Wahltonganer Hoasi aus der Steiermark. Er hat während Joes Abwesenheit das Resort gehütet und war solange einziger Bewohner von Telekivava’u- Island. Seit 7 Jahren führt er ein Leben unter Palmen, hat von österreichischer Polizist auf ha’apaianischer Fischer umgeschult und seine Uniform gegen Shorts, T- Shirts und Sonnenbrille getauscht. Gemeinsam verfrachten wir die mitgebrachten Vorräte in die auch nach europäischen Maßstäben gut ausgestattete hygienische Küche im Nebengebäude. Anschließend führen uns Lola und Joe in unsere neue Luxusbleibe. Obwohl wir die Mamana- Webseite und den Prospekt studiert hatten, sind wir von Großräumigkeit und gediegenem Ambiente der Villa stark beeindruckt. Allein unser einladend bezogenes Triplebett im südlichen Schlafgemach nimmt mehr Raum ein, als das gesamte erste Zimmer unserer Reise in Bangkok! In den nächsten Tagen werden wir mehr Zeit haben, einige Fotos von der Villa zu schießen. Jetzt geht es erst mal darum, die gefangenen Fische auszunehmen und ein leckeres Dinner vorzubereiten. Unter Lolas fachkundigen Händen verwandelt sich der armlange Mahimahi in ein vorzügliches Ota Ika, während Joe andere Teile des beliebten Speisefisches dünstet oder brät. Den Fischsud lässt er lange sieden und dickt ihn zusammen mit gehäckselten Peleblättern bocuseartig ein. Die frisch vom Baum gepflückte Limone gibt der Sauce einen letzten, unwiderstehlichen Schliff. Dazu wird Taro Tonga gereicht, eine hier wie wild wachsende Wurzel, der die europäische Einheitskartoffel geschmacklich nicht das Wasser reichen kann. Alternativ steht auch das von Lola täglich frisch gebackene Brot auf dem liebevoll gedeckten Tisch. Wir können uns nicht erinnern, in den sechs Monaten auf Tonga je etwas vergleichbar Leckeres gegessen zu haben. Nach geselligem Abend kuscheln wir uns völlig übernächtigt in unsere verschwenderisch dimensionierte Schlafstatt und ratzen behaglich weg wie nichts. Am nächsten Morgen erhält MArtin eine erste Lektion in Hoch- und Tiefseefischen. Ma’ake und Hoasi nehmen ihn im Serviceboot mit zum Fischen an die kleine unbewohnte Nachbarinsel Fetoko raus. Schon auf dem Weg zum ersten Fischgrund folgt ein magischer, weil von Ma’ake mit anfeuernden Worten beschworener silbrig- blauer Köderfisch dem Boot auf der Schraube. Aber beim “Trawling” beißt diesmal kein Fisch. Das ändert sich, als Hoasi und Ma’ake die Tiefseenylons mit den 5-10 eigentümlich rund gebogenen japanischen Haken hervorholen. Ein paar Eisengewichte sind unten am Seil befestigt und ziehen die reichlich mit Fischfilets vom Vortag bestückten Haken schnell auf bis zu 120m herab. “Kai mai ika!” (Jetzt fresst) ruft Ma’ake den Fischen zu, als er die Leine mit der Hand über den Bordrand in die Tiefe führt. Die Leine zuckelt, als sich die ersten Fische auf die Köder stürzen. Taha, Ua ... zählt Ma’ake die erspürten Bisse mit, während Hoasi MArtin noch geduldig alle nötigen Handgriffe erklärt und demonstriert. Hoasi kennt sich inzwischen mit Fischen aus und bestreitet einen Teil seines Lebensunterhaltes mit dem Verkauf von gesalzenem und getrocknetem Fisch. Unter gleißender Sonne kurbelt Ma’ake die ersten gefangenen Süßlippen an Bord des kleinen Nachens und bestückt die Haken neu. In der Ferne bläst ein auftauchender Buckelwal eine Fontäne aus dem Wasser. Hoasi, wie ein Beduine vor der Sonne geschützt, bereitet derweil einen blutigen Haiköder vor. Dafür nimmt er den ganzen Kopf eines Skipjacks und spießt ihn auf einen großen, an einem Stahlseil hängenden Haken. Nylonfäden werden nämlich von Haien in Nullkommanichts durchgebissen, erklärt er. Als Schwimmer wird eine fußballgroße Rundboje ins Wasser gelassen. Der Fischkopf wird 6m unter der Boje im Wasser schweben. Aber nach der ersten großen Fresswelle warten wir erst mal vergeblich auf weitere Fänge. Deshalb beschließen die Fischprofis, die Jagdgründe zu wechseln. Wir holen die Leine ein, Ma’ake wirft den Außenborder an und wir nehmen Kurs auf einen fischenden Schwarm großer Seevögel. Und die Vögel lügen nicht: Das Boot füllt sich schnell mit zuckenden, teilweise grotesk verunstalteten Fischleibern. Offenbar führt der schnelle Druckunterschied beim Hochholen dazu, dass bei einigen Fischen die Augen herausquellen und sich die Luftblase aus dem Maul wölbt. Entgegen der hier oft verübten Praxis, die langsam erstickenden Fische totzappeln zu lassen, tötet Ma’ake sie gnädigerweise schnell. Plötzlich taucht auch die große weiße Rundboje einen halben Meter ab und entfernt sich schnell vom Boot. Erregt springt Ma’ake auf - ein großer Hai hat sich den Fischkopf geschnappt und hängt am Haken. Obwohl das Boot an beiden Enden durch vierkammerige Bimssteine als Schwebeanker gebremst wird, scheint uns der Hai einige Meter wegzuziehen. Ma’ake johlt vor Vergnügen. Dann entbrennt ein wilder Kampf, in dem der Hai langsam ermüdet werden soll. Doch bevor es dazu kommt gelingt es dem Hai sich loszureißen und das Weite zu finden. Enttäuscht zieht Ma’ake nur einen leeren Haken zurück ins Boot. Noch länger wird sein Gesicht, als wir feststellen müssen, dass der Hai an der anderen Leine fünf seiner Tiefseeköder mitsamt Haken gefressen hat - die Nylonschnur hat er dabei mit seiner dreifachen Lage rasierklingenscharfer Zähne einfach durchgebissen. Doch bevor Ma’ake kunstvoll neue Haken an die Leine knotet, machen wir erst mal Brotzeit. Eine der Süßlippen wird filettiert und dann essen wir - für deutsche Ohren vielleicht befremdlich- rohen Fisch mit Brot. Auch MArtin ist zunächst skeptisch, aber der frische, im Seewasser gewaschene rohe Fisch schmeckt einfach köstlich. Captain Cook beschrieb 1776, wie er in Tonga einheimische “Wilde” rohen Fisch essen sah und kam zu dem Schluss, dass sie wohl sehr hungrig gewesen sein mussten. Wir lachen mit vollen Backen über diese Fehleinschätzung. Einiges gäbe es noch von unserem ersten Angelausflug zu erzählen: Von festsitzenden Haken, verlorenen Senkeisen, Anglerlatein und -Aberglauben sowie MArtins ersten erfolgreichen Angelversuchen... Astrid amüsiert sich derweil prächtig mit Lola in der Küche und unternimmt eine erste Entdeckungstour durch die VILLA MAMANA. Der blank gewienerte Holzboden lädt dazu ein, die Schlappen vor dem Portal abzustreifen und mit nackter Sohle im Inneren der Villa zu wandeln. Barfuss stolpert Astrid von einem Superlativ zum nächsten: Die größte privat mietbare Wohnfläche mit der gediegensten tropischen Einrichtung, die beste Stereo- Videoanlage, den dicksten Badezimmermarmor (2cm!) und die best geschützte Privatsphäre, die wir uns auf Tonga derzeit vorstellen können. Da ist es wahrhaft kein Anachronismus, wenn auf der Toilette exklusiv die gleiche Papiermarke Verwendung findet, die auch für teuer Geld in den Königspalast geliefert wird.
Ma’ake bewohnt als Jachtkapitän und Fischer oft das einzige Villa- unabhängige Häuschen der Insel Telekivava’u. Seine Wände sind traditionell aus Kokosblättern geflochten und vor der Türe hängen Fische zum Trocknen. Rund ums Haus sprießen die typischen tonganischen Nutzpflanzen, mit denen sich Ma’ake rund ums Jahr gut ernähren kann. Den Fisch dazu angelt er mit seinem kleinen Popao (trad. tonganisches Paddelboot mit Stammausleger) oder er wirft sein Fischernetz aus. Genau so, wie es seine Vorfahren seit Jahrhunderten zu tun pflegten und wie es auf üblichen Touristenpfaden demonstriert, aber nicht gelebt wird. Nach Sonnenuntergang stellen Joe und Lola nochmals nachdrücklich ihre Kochkünste und Qualitäten als Gastgeber unter Beweis. Dann ziehen wir uns in unsere Privatgemächer zurück. Dezentes Wellenrauschen begleitet uns wohltuend die ganze Nacht. Es stammt nicht von einer Meditations- CD, sondern vom Südpazifik direkt vor unserem Schlafzimmerfenster. Im satten Schein des Vollmondes glitzert er fast bläulich und die Silhouetten der Palmen werfen richtige Schatten auf den weißen Sandstrand. Astrid kann im Vollmondlicht sogar noch lesen (Tonganische Märchen aus der Bibliothek der Villa), MArtin nicht mehr. Stundenlang könnten wir von unserem weiteren Aufenthalt in der VILLA MAMANA schwärmen. Von der Inselumrundung mit Hoasi und Angelrute am nächsten Tag , vom Ausflug zur Nachbarinsel Fonoi, vom Nachmittag am Strand oder von den vielen lauen Nächten die wir schließlich als einzige Bewohner der Südseeinsel halb Webseite-schreibend vorm Rechner, halb im Gigabett verbrachten. Aber mal ehrlich: Wer will in dieser traumhaften Umgebung schon am Computer hocken und Romane tippen? Also verzeih bitte, wenn wir ein paar Details überspringen, evtl. für später lassen und Dich für eine Zusammenfassung der nächsten Tage und Wochen auf das etwas weniger zeitaufwendige Picturebook verweisen. Zu gegebener Zeit wird es dann hier weiter gehen... Für den Gegenwert von 1001 Nächten würde Joe zuschlagen, sagt er. |
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